Im Licht des Mondes: Roman (German Edition)
»Wenn du möchtest, dass das hier ein Spiel ist, dann muss ich dich warnen. Ich halte nicht immer die Regeln ein.«
»Ich auch nicht.« Sie hörte, wie sich die Hintertür öffnete und wieder schloss. »Ah, da kommt Nell. Du musst mich entschuldigen, Sam. Ich habe zu arbeiten. Und du sicher auch.« Sie stieß seine Hand weg und ging Nell entgegen. »Ich nehme das mit nach oben.« Mia nahm Nell das Kuchenblech ab. »Riecht fantastisch.« Sie segelte nach oben und zog den Geruch von Zimtrollen hinter sich her.
»Ehem.« Nell räusperte sich. Sie hatte den Eindruck, gegen eine Wand gelaufen zu sein, so stark war die Spannung im Raum. »Hallo, Sam.«
»Nell.«
»Also, ich habe noch … mehr«, brachte sie mit Mühe heraus und verschwand schnell durch die Hintertür.
»Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest«, sagte Lulu, »wir haben noch nicht geöffnet. Also geh.«
Er konnte immer noch Mia schmecken. In dieser aufgeheizten Stimmung näherte er sich streitsüchtig dem Tresen, lehnte sich hinüber und begegnete Lulus finsterem Blick. »Es interessiert mich einen Dreck, ob es dir gefällt oder nicht. Du wirst mich nicht von ihr fernhalten können.«
»Das hast du die letzten Jahre selber sehr gut hingekriegt.«
»Jetzt bin ich zurück, und damit müssen wir uns alle schlicht abfinden.« Er eilte zur Tür, riss sie auf. »Wenn du Wachhund spielen willst, dann solltest du es bei etwas tun, das tausendmal gefährlicher ist als ich.«
Lulu beobachtete, wie er die Straße überquerte. Sie war sich nicht sicher, ob es etwas Gefährlicheres für Mia gab als Sam Logan.
Er stornierte sein erstes Meeting. Schließlich musste man Prioritäten setzen. Er fuhr die Küstenstraße hinauf, durch einen dünnen Dunstschleier. Mit eisernem Willen kontrollierte er seine Wut und die Geschwindigkeit seines Wagens. Aber er war nicht gegen den Schock gefeit, der ihn überfiel, als er die Schleuderspuren wahrnahm. Nur Zentimeter, dachte er, als er mit wackeligen Beinen ausstieg, nur einige Zentimeter mehr, und sie wäre gegen die Bande gefahren. Mit der richtigen Geschwindigkeit und dem richtigen Winkel wäre sie über die unbarmherzigen Klippen gestürzt.
Er folgte der Spur, überprüfte die Straße, schnüffelte in der Luft, ob etwas nachgeblieben wäre. Er wusste, dass sie gern schnell fuhr, aber sie war nie leichtsinnig. Angesichts der Spuren, die ihre Reifen beim Durchdrehen auf dem Pflaster hinterlassen hatten, müsste sie mindestens 140 km in der Stunde gefahren sein.
Es sei denn, jemand hätte nachgeholfen.
Kälte kroch sein Rückgrat hoch, weil er jetzt sicher war, dass es das gewesen sein musste. Etwas hatte ihren Wagen zum Durchdrehen gebracht, sie an den Rand gedrängt.
Wenn sie nicht stark genug, klug genug, schnell genug gewesen wäre, hätte sie das Ganze nicht unbeschadet überstanden.
Er studierte das Straßenbett an der Stelle, wo ein schwarzer Einschnitt zu sehen war, ähnlich einer alten, schwärenden Brandwunde. Sie nässte wie dickflüssiges Blut, als er sie betrachtete. Und während er das tat, fühlte er die dunkle Energie aus ihr aufsteigen.
Mia war mehr durcheinander, als sie beide realisiert hatten, dachte er.
Er ging zurück zu seinem Wagen, öffnete den Kofferraum und wählte die notwendigen Werkzeuge aus. Dann warf er einen langen abschätzenden Blick die Straße rauf und runter. Sie war verlassen, so weit das Auge blicken konnte. Ein Vorteil, dachte er, denn für das, was er vorhatte, brauchte er ein bisschen Zeit.
Er streute dreimal Seesalz um den Einschnitt, und die Flüssigkeit begann zu qualmen. Mit einem Zauberstab aus Birke machte er sich äußerst konzentriert an die Reinigung. Als er Lorbeer und Gewürznelken zum Schutz über den schwarzen Schnitt streute, begann er zu blubbern und zu zischen. Und langsam schrumpfte er zusammen.
»Niemand, der vorbeikommt, muss sich fürchten. Du kannst hier nichts mehr anrichten. Dunkelheit weicht dem Licht, der Weg hier wieder sicher ist.« Er ging in die Hocke, als der Einschnitt sich wieder schloss. »Behüten werde ich, was mir teuer und rein«, wisperte er. »Das ist mein Wille, so soll es sein.«
Er ging zurück zum Auto und fuhr über den Schatten des Einschnitts in Richtung Mias Haus.
Er musste es sehen und hatte diesem Wunsch bisher widerstanden. Aber er konnte es sich nicht leisten, auf ihre Einladung zu warten.
Es war so viel von dem, was einst war, dachte er, während er die beeindruckende Silhouette aus Stein betrachtete. Und
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