Im Licht des Mondes: Roman (German Edition)
blieb einen Moment auf ihrem Rasen stehen und saugte die Ruhe und Stille eines dunstigen Frühlingsmorgens auf den Drei Schwestern in sich auf. Ihr Forsythienbusch schimmerte golden durch den Morgennebel, ihre Narzissen waren sonnige Trompeten. Sie konnte ihre Hyazinthen riechen. Es kam ihr vor, als würde die Erde kurz vorm Erwachen sein – kurz davor, alle Erinnerungen an den Winter abzuwerfen, so wie der Tag den Morgendunst. Sie mochte die Schläfrigkeit ebenso gern wie die kommende Pracht. Sie stellte ihre Aktenmappe auf den Sitz neben sich und fuhr die lange gewundene Straße hinunter zum Ort.
Es gab einige Routinearbeiten zu erledigen, bevor der Laden geöffnet wurde. Sie liebte diese Arbeiten, das Kontrollieren und Auffrischen der Bestände in aller Ruhe, genauso wie sie die Öffnungszeiten und den Strom von Kunden mochte, die stöberten, suchten – und natürlich kauften.
Sie war gern von Büchern umgeben. Packte sie gern aus, ordnete sie in Regale, schrieb Preisschilder. Sie mochte ihren Geruch, ihre Gestaltung und ihren Anblick. Und ihre
noch unentdeckten Geheimnisse, wenn sie nur kurz eins aufschlug und durchblätterte.
Die Buchhandlung war mehr als ein Geschäft für sie. Es war eine tiefe und beständige Zuneigung. Aber sie vergaß nie, dass es auch ein Geschäft war, eins, das sie effizient und erfolgreich betrieb.
Sie hatte reich geerbt und war deswegen nie gezwungen gewesen, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie hatte nur zu ihrer eigenen Befriedigung gearbeitet. Ihre finanzielle Basis erlaubte ihr, ihre Karriere nach ihren Wünschen auszurichten und ein Geschäft zu betreiben, das ihren Interessen entsprach. Diese Grundsätze und ihr eigenes Geschick, Anstrengung und Gewitztheit hatten das Geschäft zum Blühen gebracht.
Sie war dankbar für das Devlin-Geld, würde es auch bleiben, aber in ihren Augen war es viel aufregender und befriedigender, sein eigenes Geld zu verdienen.
Und das eigene Geld zu riskieren.
Genau das würde sie tun, wenn sie Nells Idee folgte. Das Café zu vergrößern würde einiges ändern. Sosehr Mia Traditionen und Beständigkeit vertraute und sie respektierte, sosehr liebte sie den Wechsel. Solange der Wechsel klug war. Und dieser, dachte sie, während sie durch den dunstigen Morgen fuhr, schien es zu sein.
Der Ausbau des Cafés hätte unter anderem den Effekt, dass sie einen größeren und attraktiveren Veranstaltungsraum bekäme. Ihr monatlicher Buchclub war sehr beliebt auf der Insel, und der neue Kochclub schien ebenfalls gut einzuschlagen. Der Trick würde sein, den Raum optimal zu nutzen und gleichzeitig die Intimität der Buchhandlung nicht aufzugeben.
Aber seit Nell ihr diese Idee eingegeben hatte, hatte sie
sie nicht mehr losgelassen. Mia sah genau vor sich, was sie wollte und wie es sein sollte. Wenn es ums Buch-Café ging, wusste sie immer genau, was sie tat.
Zu schade, dass es ihr im Moment mit dem Rest ihres Lebens nicht ganz so ging.
Es war, als hätte sich ein Vorhang über ihre Vorsehungen gelegt. Sie konnte nur die Ränder sehen, aber geradeaus war alles blockiert. Es beunruhigte sie mehr, als sie zuzugeben bereit war.
Was hinter dem Vorhang lag, waren Wahlmöglichkeiten. Aber wie konnte sie die richtige Wahl treffen, wenn sie nicht wusste, was damit für sie verbunden war?
Das war frustrierend. Sie runzelte ärgerlich die Stirn. Und sah nicht, dass der Nebel dichter wurde, dunkler.
Eine ihrer Wahlmöglichkeiten war Sam Logan. Aber wie weit könnte sie ihren Instinkten in dieser Hinsicht trauen, sie abwägen gegen Logik und Vergangenheit? Gegen primäre sexuelle Bedürfnisse, die ihr die Sicht verstellten, den Verstand benebelten?
Ein Fehltritt bei ihm könnte sie wieder am Boden zerstören – und dieses Mal würde sie es vielleicht nicht überleben. Ja, mehr noch, die falsche Wahl könnte die Insel, die sie liebte und die sie geschworen hatte zu beschützen, zerstören.
Einst hatte eine Frau den Tod gewählt, statt Schmerz und Einsamkeit und ein gebrochenes Herz zu ertragen. Sie hatte sich selbst in die See gestürzt, dem Liebsten hinterher, der sie verlassen hatte. Und hatte das letzte beschützende Netz um die Drei Schwestern geworfen.
Hatte sie selbst sich nicht, indem sie das Leben gewählt, Zufriedenheit und sogar Erfolg gefunden hatte, fürs Gegenteil entschieden?
Nell hatte Mut gewählt, Ripley Gerechtigkeit. Und deshalb hielt der Kreis. Und sie hatte das Leben gewählt.
Vielleicht war der Fluch bereits gebrochen,
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