Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
scherte.
»Ich möchte etwas sagen.« Opals Stimme brach, und sie umklammerte Phoebes Hand so fest, dass es wehtat. »Ihr habt mein Zuhause belagert, und das Zuhause meiner Mutter. Ihr habt mich an meinem Arbeitsplatz belagert. Ich hab euch gesagt, dass ihr meine Privatsphäre respektieren sollt, aber ihr hört nicht auf mich. Ich verspüre eine unheimliche Trauer und habe darum gebeten, in meiner Trauer respektiert zu werden. Aber ihr seid zu meinem Haus gekommen, zu dem meiner Mutter, ihr hört nicht auf, mich anzurufen. Ihr behauptet, wissen zu wollen, was ich denke, was ich fühle. Manche von euch haben mir sogar Geld geboten, damit ich etwas sage.«
Fragen wurden laut. Haben Sie … Hatten Sie … Wie haben Sie … Opals Arm zuckte, als sie ihre erloschenen Augen auf Phoebe richtete. »Lieutenant MacNamara.«
»Lassen Sie uns wieder hineingehen, Opal«, murmelte Phoebe. »Ich bringe Sie rein, zu Ihrer Familie.«
»Bitte bleiben Sie hier neben mir stehen. Bleiben Sie bei mir, damit ich das schaffe?«
Opal schloss die Augen und sprach dann laut gegen die Meute an. »Ich habe euch etwas mitzuteilen, und zwar gratis. Und ihr seid jetzt gefälligst leise, wenn ihr was hören wollt. Meine Söhne sind tot.«
In dem darauffolgenden Schweigen konnte Phoebe Opals ersticktes Schluchzen hören. »Meine Söhne sind tot. Beide wurden umgebracht. Waffen und Kugeln haben mir sie weggenommen, aber vorher hatte ich sie bereits verloren. Sie hatten keine Hoffnung. Sie spürten so viel Wut und Hass, aber keine Hoffnung konnte das lindern. Ich wünschte, ich hätte ihnen diese Hoffnung geben können, aber das konnte ich nicht. Ihr wollt, dass ich irgendjemandem die Schuld dafür gebe. Ihr wollt, dass ich mit dem Finger auf jemanden zeige, schreie, weine und fluche. Aber den Gefallen tu ich euch nicht. Ihr wollt, dass ich den Gangs die Schuld gebe? Zum Teil sind sie auch schuld. Der Polizei? Zum Teil ist sie auch schuld. Aber genauso trifft auch mich und meine beiden Kinder Schuld. Es gibt viele Schuldige, aber das hilft hier keinem weiter.«
Sie zog ein Taschentuch hervor, um ihre Tränen zu trocknen. »Ich weiß, dass die Frau hier neben mir mit meinem Jungen geredet hat. Sie hat ihm zugehört. Stundenlang. Und als dieser schreckliche Moment kam und mir meinen Jungen für immer weggenommen hat? Da ist sie zu ihm hingerannt. Es war ihr egal, wer Schuld hat. Sie rannte zu ihm hin und hat versucht, ihm zu helfen. Und als ich wieder etwas sehen konnte, sah ich, dass sie meinen Sohn in ihren Armen hielt. Und allein darauf kommt es an. So, mehr habe ich nicht zu sagen.«
Opal ignorierte den Ansturm an Fragen und wandte sich zur Tür. Sie zitterte leicht, als Phoebe schützend den Arm um sie legte.
»Und jetzt begleite ich Sie zu meinem Charlie.«
»Gut, Opal.« Phoebe stützte Opal und betrat den Raum, wo der Sarg aufgebahrt war. »Gehen wir zu Charlie.«
Phoebe hatte leicht wackelige Knie, als sie wieder zum Wagen gingen. Komisch, dachte sie, wie sehr sich emotionaler Stress auf die Gelenke auswirkt.
Duncan strich ihr unmerklich über den Arm und ließ dann den Motor an.
»Ich muss kurz telefonieren«, sagte sie und zog ihr Handy hervor. »Mama? Ich bleib noch eine Weile weg, falls du mich nicht brauchst. Ja, gut. Sag Carly, dass ich ihr später noch Gute Nacht sage, wenn ich nach Hause komme. Ja, das mach ich. Tschüss.«
Sie holte tief Luft. »Einverstanden?«
»Klar. Wo willst du hin?«
»Ich glaube, am liebsten zu dir. Dann kannst du mir einen gut gekühlten Drink mit viel Alkohol servieren. Und mich anschließend mit ins Bett nehmen.«
»Das passt ausgezeichnet in meinen Terminplan.«
»Gut.« Sie lehnte sich zurück und dachte an das, was sie so bedrückte. »Duncan, was hältst du von einem Mann, der beschließt, eine gewisse Mizzy zu heiraten, die zwölf Jahre jünger ist als er?«
»Wie groß sind ihre Brüste?«
Phoebes Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln, während sie durch das Glasdach nach oben schaute. »Das weiß ich leider nicht.«
»Aber das ist eine äußerst wichtige Information. Wer heiratet Mizzy?«
»Carlys Vater.«
»Oh.«
Mitgefühl und eine Vermutung, dachte Phoebe, verdichtet zu einer einzigen Silbe. »Ich weiß, dass mir das eigentlich egal sein müsste, aber es ist mir nun mal nicht egal. Ich weiß, dass ich darüber hinwegkommen werde, und das ist tröstlich. Er zieht mit ihr nach Europa, was mich wütend macht und was ich ihm einfach nicht verzeihe, auch wenn ich weiß,
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