Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
du … – na, was soll’s -, hast du gesehen, wie erstaunt er ausgesehen hat, als ihn die Kugeln getroffen haben?«
»Wollen Sie mir damit sagen, dass Sie für den Tod von Charles Johnson verantwortlich sind?«
»Hörst du schlecht, du blöde Schlampe? Ich hab ihn unter die Erde gebracht. Das ist nicht das erste Mal, dass du mit daran beteiligt warst, jemanden unter die Erde zu bringen, was? Und das wird auch nicht das letzte Mal gewesen sein, das versprech ich dir. Bitte«, jammerte Roy. »Bitte, bitte, bitte.« Er zitterte unter den ausgebreiteten Flügeln des Engels.
»Kannten Sie Charles Johnson?«
»Das war doch nur einer von diesen überflüssigen Halbstarken. Aber du hast ihn dazu überredet, rauszukommen, stimmt’s? Du hast ihn überredet, rauszukommen, ohne die Geiseln umzulegen. Niemand in diesem Laden war auch nur das Geringste wert, aber du hast die Geiseln gerettet, stimmt’s?«
»Wen habe ich nicht gerettet, Cooper? Sind die Rosen für sie? Wen haben Sie geliebt, den ich nicht gerettet habe?«
»Dreimal darfst du raten, Phoebe, und dann gnade dir Gott. Vielleicht verschone ich dich ja.«
»Ich bitte Sie jetzt schon um Gnade. Wenn ich nicht gut oder intelligent genug war, um jemanden zu retten, möchte ich Sie jetzt schon um Vergebung bitten. Sagen Sie mir, was ich sagen soll, und ich sag es Ihnen.«
»Dann legen wir mal los. Sag … was? Nein, nein, nein!« Roy versuchte sich aufzurichten, konnte aber nur knien. »Bitte. Okay, okay. Er sagt, die Zeit ist um. Auf Wiedersehen, Phoebe.«
»Cooper, wenn Sie …«
Die Explosion riss sie um und ließ sie durch eine heiße Wolke fallen. Sie sackte zu Boden, auf das Grab eines Fremden.
Sie wusste genau, was da durch die Luft flog und sich in den Boden bohrte. Bestandteile eines Engels, Dreck, Bestandteile von Roy.
Eine Reihe von Bildern rasten vor ihrem inneren Auge vorbei, schnell und bruchstückhaft. Das erste Kennenlernen auf einer Party, sein umwerfendes Lächeln, mit dem er sie so verzaubert hatte. Wie sie sich auf dem großen Bett in der Hotelsuite geliebt hatten, als er sie mit einem Wochenendtrip, Rosen und Champagner überrascht hatte. Der Moment, bevor ihre Lippen sich zum ersten Mal als Mann und Frau trafen. Wie sie zusammen tanzten. Sie sah Lichter.
Dann wurde alles dunkel um sie herum.
Irgendjemand rief nach ihr.
Phoebe stützte sich auf. Sie sah verschwommen, wie Duncan auf sie zurannte. Dann warf er sich auf sie, drückte sie zu Boden. Wie durch einen Tunnel hörte sie weitere Schreie, Schritte, das Knacken der Funkverbindung.
Sie kämpfte nicht mehr, es gab nichts mehr, wofür sie kämpfen konnte.
»Was habe ich nur getan?«, flüsterte sie. »Um Himmels willen, was habe ich getan?«
22
Siehatte ihm befohlen, nach Hause zu gehen. Das machte ihn wütend. Für wen hielt sie sich eigentlich?
Duncan lief vor dem Büro ihrer Einheit auf und ab. Er konnte sich nicht hinsetzen, konnte sich nicht beruhigen und wünschte sich nur, wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Was ihm leider auch gelang, sodass er immer wieder an diesen Moment zurückdachte, an diesen furchtbaren Moment, als ein Menschenleben … einfach ausgelöscht wurde.
Fleischfetzen und Knochen und so etwas wie ein furchtbarer blutroter Nebel.
Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, losgerannt zu sein, nicht richtig. Er erinnerte sich daran, etwas zu spüren, eine Art kurzen Luftstoß, dann die Geräusche, das Zischen und Schreien, Fetzen, die durch die Luft flogen; Bruchstücke der Statue, Erdklumpen und Unaussprechliches, das gegen die Bäume und auf die Erde prallte, noch mehr Steine und Splitter von Statuen.
Er wusste, dass er einen Teil von Roy in den Baumflechten hatte hängen sehen. Er hatte das dumpfe Gefühl, gesehen zu haben, wie der abgetrennte Kopf des Engels durch die Luft flog, das friedliche, heitere Gesicht blutbespritzt. Aber vielleicht hatte er sich das auch nur eingebildet.
Er konnte sich nicht daran erinnern, wie er losgerannt war, um Phoebe zu schützen. Er wusste nur noch, wie er bei ihr gewesen war, auf ihr, während um sie herum die Hölle losbrach. Er erinnerte sich, wie sie gesagt hatte Was habe ich nur getan? Sie wiederholte es immer wieder, bis jemand – vermutlich Dave, der Captain – an ihm, an ihnen beiden gezerrt hatte.
Seid ihr verletzt? Wurdet ihr getroffen? Das hatte er zuallererst gefragt, da war sich Duncan ziemlich sicher. Sein Gesicht war so weiß gewesen wie das von dem durch die Luft fliegenden Engel.
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