Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
anderen. »Ihre Sekretärin hat sich heute Morgen krankgemeldet. Ich habe ihre Privatadresse.«
»Dann suchen wir sie eben bei sich zu Hause auf.«
»Detective? Auch wenn sie Ihre Vorgesetzte ist – bitte passen Sie gut auf meine Kleine auf, und bringen Sie sie mir heil nach Hause.«
»Das versprech ich Ihnen, Mrs. MacNamara. Danke für den Kaffee.« Liz wartete, bis sie draußen waren, dann sagte sie in bestimmtem Ton: »Auch wenn Sie meine Vorgesetzte sind – diese Ermittlung leite ich.«
»Lassen Sie mich zuerst mit ihr reden. Mein Gefühl sagt mir, dass er ihr nicht verraten hat, dass er mir wehtun will. Höchstens, dass er mich ein bisschen erschrecken oder noch mal mit mir reden will.« Trotz des Regens setzte sich Phoebe ihre Sonnenbrille auf. »Ich glaube nicht, dass sie mitgemacht hätte, wenn sie von seinem Plan gewusst hätte. Am Tag darauf meldet sie sich krank. Sie hat wahrscheinlich Angst, Schuldgefühle, fragt sich, was passiert ist. Sie hat bestimmt schone mehrere Varianten der Geschichte zu hören bekommen. Wenn Sie zuerst mich sieht, wird sie sofort einknicken.«
Annie sah krank aus, als sie die Tür zu ihrer Wohnung öffnete. Ihr erschöpftes Gesicht hob sich kalkweiß gegen den rosafarbenen Schlafanzug ab. Sie riss die Augen auf, als sie Phoebe sah, taumelte zurück und stammelte Phoebes Namen.
»Annie Utz? Ich bin Detective Alberta. Dürfen wir reinkommen?«
»Ich, ich …«
»Danke.« Liz drückte die Tür auf, damit Phoebe vor ihr hineingehen konnte. Im Hintergrund lief der Fernseher.
»Lieutenant MacNamara muss sich setzen. Sie wurde ziemlich übel zugerichtet.«
»Ich … ich bin erkältet. Ich bin wahrscheinlich ansteckend.«
»Das Risiko gehen wir ein. Sie haben gehört, was Lieutenant MacNamara zugestoßen ist, stimmt’s?«
»Ja, ich glaube schon. Es tut mir so leid, Lieutenant. Sie sollten zu Hause sein und sich ausruhen.«
»Annie … dürfen wir das ausmachen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, griff Liz nach der Fernbedienung. »Ich ermittle wegen des Überfalls auf Lieutenant MacNamara. Sie waren die Letzte, die mit ihr gesprochen hat, bevor sie angegriffen wurde.«
»Ich … ich weiß nicht.«
»Sie wissen nicht mehr, dass sie an Ihrem Schreibtisch stehen blieb, bevor sie ins Treppenhaus ging?«
»Nein, das natürlich schon. Sie haben gesagt, Sie gehen jetzt runter in den Unterricht.« Als sie sich Phoebe zuwandte, war Annies Blick auf einen Punkt irgendwo über ihrer Schulter gerichtet.
»Wann war das genau?«
»Kurz vor zehn. Ein paar Minuten vor zehn.«
»Sie wussten, dass Lieutenant MacNamara die Treppe nehmen würde?«
»Jeder weiß das.« Annie spielte an einem herzförmigen Knopf an ihrem Pyjama herum. »Ich fühle mich wirklich nicht besonders. Es tut mir leid.«
»Lieutenant MacNamara fühlt sich gerade auch nicht besonders. Stimmt’s, Lieutenant?«
»Nein.« Ihre Sonnenbrille befand sich wieder in der Handtasche, in die sie sie beim Betreten der Wohnung gesteckt hatte. Phoebe wusste, dass das blaue Auge, die Kratzer und Verbände ein ebenso schockierender wie unangenehmer Anblick waren. Und sie wusste auch, dass sie Geduld haben und das Schweigen nutzen musste, um Annies Blicke auf sich zu ziehen. »Er hat mich zu Boden geschlagen, bevor er meine Arme auf den Rücken gedreht und mit Handschellen gefesselt hat, damit ich mich beim Stürzen nicht abfangen kann.«
Phoebe fixierte Annies weinerlichen Blick und hob die Hände, um ihr die bandagierten Handgelenke zu zeigen. »Nachdem er mir den Mund mit Isolierband zugeklebt hat, hat er mir eine Kapuze über den Kopf gezogen.« Sie strich ihr Haar aus der Stirn, damit die blauen Flecken noch besser sichtbar wurden. »Danach hat er meinen Kopf gegen die Wand gerammt.«
Tränen kullerten blasse Wangen herunter. »Ich … ich habe gehört, das sei alles nur ein dummer Unfall gewesen. Ich habe gehört, dass Sie gestürzt sind. Dass Sie die Treppe heruntergestürzt sind.«
»War es ein Unfall, als er ihr mit der Faust mitten ins Gesicht schlug?«, fragte Liz. »Als Handschellen um ihre Handgelenke zuschnappten?« Sie hob Phoebes Arm hoch und zeigte auf die Handgelenke. »Sind ihre Kleider rein zufällig in Fetzen gefallen, weshalb sie halb nackt auf allen vieren nach Hilfe suchen musste?«
»Es tut mir leid, es geht mir nicht gut. Wenn Sie jetzt bitte gehen könnten? Würden Sie jetzt bitte gehen?«
»Hat er Ihnen gesagt, dass er nur mit mir reden will, Annie?« Phoebe sprach leise und vollkommen ruhig.
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