Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
»Dass er nur unter vier Augen mit mir sprechen will? Mich vielleicht ein bisschen erschrecken, mir seine Position klarmachen will, nachdem ich ihn so unfair behandelt habe? War es das, was er Ihnen erzählt hat, als er Sie bat, ihm Bescheid zu geben, wenn ich die Treppe nehme?«
»Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden. Ich habe nichts damit zu tun. Wenn Sie gestürzt sind …«
»Ich bin nicht gestürzt. Sehen Sie mich doch an, Annie!«, brach es so wütend aus Phoebe hervor, dass Annie zusammenzuckte und den Kopf einzog. »Sie wissen ganz genau, dass ich nicht gestürzt bin. Deswegen sitzen Sie auch hier, krank vor Angst, und versuchen sich einzureden, dass es nur ein Unfall war. Er hat Ihnen das gesagt. Er hat Ihnen gesagt, dass es ein Unfall war und dass ich … ja, was? Dass ich gelogen habe, um mein Gesicht zu wahren? Dass ich den Überfall nur vorgetäuscht habe, weil mir der Sturz so peinlich war?«
»Wie lange schlafen Sie schon mit Officer Arnold Meeks, Annie?«, fragte Liz.
»Das habe ich nicht, wir haben nicht … wirklich nicht. Ich wollte das nicht. Ich habe nichts getan.« Als der Damm brach, griff Annie nach Tüchern aus einer geblümten Kleenexbox und verbarg ihr Gesicht darin. »Er hat gesagt, es sei ein Unfall gewesen und dass Sie das hochspielen würden, ja versuchen würden, ihn in Schwierigkeiten zu bringen. Er hat mir erzählt, wie Sie ihn angemacht haben und …«
»Officer Meeks hat Ihnen erzählt, Lieutenant MacNamara habe ihm sexuelle Avancen gemacht?«
»Er hat sie abblitzen lassen, und seitdem versucht sie, seinen Ruf zu ruinieren.« Annie ließ die Kleenextücher sinken und sah Liz flehentlich an. »Wenn ihm das Ganze nicht so peinlich wäre, hätte er sie längst wegen sexueller Belästigung angezeigt, aber seine Frau ist auch dagegen. Außerdem schläft sie mit Captain McVee, also welchen Sinn hätte das schon?«
»Das alles hat er Ihnen erzählt, und Sie haben es geglaubt?« Liz schüttelte heftig den Kopf. »Vielleicht entschuldigt das Ihr Verhalten, vielleicht auch nicht. Vielleicht haben Sie ja wirklich geglaubt, Arnie einen Gefallen zu tun. Vielleicht wollten Sie einfach nicht wahrhaben, dass er Sie wiederholt belogen hat. Aber jetzt wissen Sie ganz genau, dass er gelogen hat, stimmt’s, Annie? Sie können Lieutenant MacNamara nicht ansehen und ihm dann immer noch glauben.«
»Ich weiß nicht. Ich weiß nicht.«
»Wie wär’s mit ein paar Fotos?« Liz holte ein paar aus ihrer Aktentasche. »Das ist das Blut von Lieutenant MacNamara im Treppenhaus. Oh, und das hier sind ihre zerfetzten Kleider. Und was ist mit dem Wäschesack, den er ihr über den Kopf gezogen hat? Dieses Foto ist besonders schön, es zeigt das Blut auf den Handschellen, die er ihr angelegt hat. Was für ein dummer Unfall!«
»O Gott.« Sie versteckte sich erneut hinter ihren Taschentüchern. »O Gott.«
»Welcher Mensch tut so was, Annie? Vielleicht jemand, der vorhat, Ihnen genau dasselbe anzutun oder sogar noch Schlimmeres. Weil Sie diejenige sind, die ihn damit in Verbindung bringen kann.«
»Ich habe nichts davon gewusst, gar nichts«, schluchzte Annie. »Ich habe nichts getan. Er wollte nur kurz mit ihr sprechen, ihr zeigen, dass er sich nicht einschüchtern lässt. Mehr nicht. Ich hab nur seine Nummer gewählt und das Telefon zweimal klingeln lassen. Das war das verabredete Zeichen. Mehr habe ich nicht getan. Ich wusste von nichts.«
»Aber jetzt wissen Sie’s. Sie werden sich jetzt anziehen und mit mir kommen müssen.«
»Verhaften Sie mich? O Gott, bin ich verhaftet?«
»Noch nicht. Wenn Sie sich anziehen, gleich mitkommen und eine wahrheitsgemäße Aussage machen – und wirklich die Wahrheit sagen, Annie -, werde ich für Sie mit dem Staatsanwalt reden. Er hat Sie angelogen. Ich glaube Ihnen, dass er Sie angelogen hat.«
»Ich auch.« Phoebe unterdrückte ihre Wut und sprach beruhigend auf sie ein. »Ich glaube Ihnen, Annie.«
»Es tut mir so leid, Lieutenant, es tut mir wirklich leid.«
»Ja, das glaube ich Ihnen.«
Liz warf Phoebe einen Blick zu. »Ich setze Sie zu Hause ab und mach dann allein weiter.«
10
»Ichwill dabei sein. Ich muss unbedingt dabei sein.«
Dave lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und ließ Phoebe nicht aus den Augen.
»Erstens bin ich dafür nicht zuständig. Und zweitens ist das Liz Albertas Fall. Du bist das Opfer. Und falls du das vergessen haben solltest, lass ich gern einen Spiegel reinbringen.«
Sie wusste, wie sie aussah. Während
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