Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
der letzten Tage hatten die blauen Flecken sich langsam gelb und dunkellila verfärbt. Ihr Kiefer und ihr Auge schillerten in allen Regenbogenfarben. Zum Glück wurde das Schlimmste von ihrer Kleidung verhüllt.
»Das Opfer braucht das. Ich muss in diesem Raum sitzen und Arnold Meeks in die Augen schauen, damit er weiß, dass ich keine Angst vor ihm habe.«
»Stimmt das denn?«
»Zumindest nicht so viel, dass ich mir und ihm nicht das Gegenteil weismachen kann. Wir wissen beide, was die Psychologen sagen. Wie sich jemand fühlt, der gegen seinen Willen festgehalten oder in einer Situation, die er nicht kontrollieren kann, bedroht oder verletzt wird.«
»Hier geht es nicht darum, einen Angreifer bei einer Gegenüberstellung zu identifizieren, Phoebe. Und auch nicht darum, dem Angreifer bei Gericht gegenüberzustehen.«
»Umso offensiver kann ich auftreten. Meine Mutter und ich haben Reuben bei Gericht gegenübergesessen. Sie ist in den Zeugenstand getreten, um ihre Aussage zu machen, während er nur wenige Zentimeter von ihr entfernt war. Und ich weiß, dass das fast genauso schlimm für sie war, wie all die Stunden mit ihm in dem Haus gefangen zu sein. Aber sie hat es getan und ist immer noch eine Gefangene.«
Er blickte sie verständnisvoll an. »Aber du bist nicht deine Mutter.«
»Nein, aber …« Phoebe legte ihre geballte Hand aufs Herz. »Ich spüre ihre Angst, und ich will nicht, dass sie in mir weiterlebt. Wie kann ich auch weiterhin meine Arbeit tun, wenn sie sich bei mir einnistet? Das Opfer braucht das einfach.«
»Also gut, du kannst zusehen«, hob er an, obwohl sie beide wussten, dass er bereits an Boden verlor.
»Das reicht mir nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich will ihm gegenübersitzen, diesmal in dem Wissen, dass er die Situation nicht kontrollieren kann. Die Polizistin möchte mit ihm im selben Zimmer sein, weil sie Liz helfen kann, ihn zu einem Geständnis zu bringen. Ich war da. Ich bin Opfer, Zeugin und Polizistin in einer Person. So gesehen bin ich eine dreifache Bedrohung für ihn.«
»Aber zuständig bin ich trotzdem nicht. Das müssen Detective Alberta, ihr Captain und der Staatsanwalt entscheiden. Der Staatsanwalt«, fuhr Dave fort, noch bevor sie etwas entgegnen konnte, »der mit Arnies Vater angeln geht.«
»Egal, mit wem er angelt – ich habe Parnell immer als ziemlich zuverlässig empfunden. Glaubst du wirklich, dass er die Ermittlungen im Fall einer überfallenen Polizistin behindern wird, nur weil er mit dem Vater des Verdächtigen befreundet ist?«
»In Savannah spielen Beziehungen eine große Rolle, Phoebe, so wie überall anders auch. Aber in einem gebe ich dir recht: Auf Parnell ist Verlass. Meeks bringt seinen Polizeibeauftragten und einen Anwalt mit. Annie Utz lässt sich auch durch einen Anwalt vertreten.«
»Ein Grund mehr, Detective Alberta Rückendeckung zu geben. Jemand, dem es scheißegal ist, mit wem Arnies Daddy Würmer versenkt. Und jetzt sage ich dir noch etwas: Wenn er von zwei Frauen in die Zange genommen wird, setzt ihn das erst recht unter Druck.«
Sie ging im Büro auf und ab, während sie sprach, und sah die Situation bereits vor sich. »Oh, das wird Arnie ganz und gar nicht gefallen. Er wird einen Fehler begehen. Sein Ego wird die Oberhand gewinnen, vor allem, wenn ich dabei bin. Du magst in dieser Sache nicht zuständig sein, Captain, aber du könntest dich für mich einsetzen. Du könntest bei Detective Albertas Captain oder ihrem Lieutenant ein Wort für mich einlegen und darum bitten, dass ich dabei sein darf.«
»Ich werde dort anrufen, aber ich kann dir nichts versprechen.«
Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ein Anruf reicht. Ich danke dir.«
»Ich weiß nicht, ob ich dir wirklich einen Gefallen tue, wenn ich erreiche, dass du bei der Befragung dabei sein darfst. Wie verkraftet deine Familie das alles?«
»Es macht sie fertig. Meine Mutter … du weißt ja, wie sie ist.«
»Ja. Hilft es, wenn ich vorbeikomme, oder macht es das eher noch schlimmer?«
»Mama geht es immer besser, wenn du zu Besuch kommst. Wir alle freuen uns über deinen Besuch. Warum kommst du am Sonntag nicht zum Abendessen?«
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Gibt es dann auch karamellisierten Schinkenkrustenbraten?«
»Das lässt sich bestimmt einrichten. Danke noch mal.«
Phoebe hatte einen Moment für sich allein im Beobachtungsraum und musterte Arnie Meeks durch den Spionspiegel. Er wirkte sorglos. Und selbstbewusst, wie ein Mann, der
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