Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
Vom Netzwerk:
Gesellschaft und der Anspannung wegen der unterbrochenen Einsamkeit.
    Und Angelene? Kannte sie selbst den Grund für ihren bekümmerten Blick? Wenn er ihr sagen würde: Dein Gesicht ist voller Traurigkeit, würde sie auch nur im Ansatz erahnen, was die Ursache dafür war? Vielleicht war sie wirklich traurig; vielleicht sogar unglücklich. Natürlich liebte sie das Land. Aber vielleicht wusste sie nicht, was sonst noch in ihr schlummerte. Vielleicht wollte sie die Plantage verlassen, ohne dass es ihr selbst bewusst war. Sie war ja noch jung, musste noch viel über sich herausfinden. Er hatte ihr bisher nicht gesagt – wie hätte er ein solches Gespräch mit ihr führen können? –, dass der Gedanke ans Fortgehen in Ordnung war; dass man nicht von sich erwarten sollte, sein ganzes Leben lang beständig zu sein. Auf keinen Fall erwartete er von ihr, dass sie immer hier lebte; zumindest würde er ihr das sagen. Wenn sie irgendwann gehen wollte, könnte sie das tun. Er würde nicht versuchen, sie aufzuhalten. Andererseits wünschte er sich, dass sie ihrem kindlichen Traum, an seiner Seite Obstgärtnerin zu werden, treu blieb: weil sie gut darin war und – das war der Hauptgrund, er wusste es – weil er sie liebte und sie auf Dauer in seiner Nähe wissen wollte.
    Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass sie erwachsen wurde und nicht von ihm wegzog. Sie konnte sich verändern, sagte er sich, und gleichwohl auf der Plantage bleiben. Aber trotz ihrer offensichtlichen Liebe zu den Bäumen, trotz all der Intelligenz, der Tüchtigkeit und des Geschicks, die sie dem ganzen Gehöft angedeihen ließ, hatte er Zweifel. Es war unbescheiden, sich zu wünschen, dass sie an seiner Seite bleiben würde.
    Angelene kam jetzt zu ihm, lehnte sich an ihn, legte ihm die Hand auf die Schulter. Sie roch schwach nach Lakritz.
    Der Cowboy, der sich in der Zwischenzeit neben Clee gesetzt hatte, sprach sie an und lächelte dabei mit den Augen: Du kommst also mit zur Auktion? Talmadge hat mir gerade erzählt, wie sehr du dir das wünschst. Da war eine Spur von Gelächter in seiner Stimme, aber er lachte nicht; er neckte sie, weil er wusste, dass sie ein häuslicher Mensch war und, obwohl die Pferde sie faszinierten, nicht viel mit ihnen zu tun haben wollte.
    Aber Talmadge wartete ab, was Angelene sagen würde.
    Sie drückte seine Schulter.
    Ich möchte eigentlich nicht mit, sagte sie schüchtern und sah zu ihm hinunter. Oder vielleicht doch, aber nur, wenn Talmadge auch mitkommt …
    Schön, wenn du mitwillst, dann geh, sagte Talmadge, und seine Stimme klang zu ihrer aller Erstaunen schroff. Einen Moment lang war es still, und Angelene nahm ihre Hand von seiner Schulter.
    Er rutschte auf seinem Stuhl herum. Traute seinen Ohren kaum, als er sich sagen hörte:
    Diese Orte sind nichts für Mädchen. Ich hätte das schon lange wissen müssen, aber wie ein Idiot …
    Clee spähte in den Wald. Er paffte an seiner Pfeife. Angelene rührte sich nicht. Talmadge wusste, ohne sie anzusehen, dass sie verwirrt war. Aber er wusste auch, dass sie ihn verstand. Sie verstand ganz genau, wovon er sprach.

    Der nervöse, pickelige Wärter, der Della erzählt hatte, Michaelson müsse operiert werden, wurde durch einen anderen abgelöst. Der Neue war ebenfalls jung – vielleicht gerade mal zwanzig –, und andere hätten ihn als hübsch bezeichnet. Er hieß Frederick. Am ersten Tag streckte er den Arm durch die Stäbe, um ihr die Hand zu schütteln. Sie blieb im Hintergrund und nahm die Geste erstaunt zur Kenntnis.
    Frederick lächelte sie an. Seine Haut war von der Farbe frisch gewaschenen Hirschleders, und er hatte dunkle aschblaue Augen. Als sie nicht ans Gitter kam, zog er die Hand wieder zurück, aber sein Lächeln blieb.
    Schon in Ordnung, sagte er. Dann: Ich hab von Ihnen gehört. Einzige Frau hier seit langem. Dann: Sie haben sich gestellt, stimmt’s? Hab ich das richtig gehört?
    Keine Ahnung, was Sie gehört haben, sagte sie, und er lachte. Sie dachte: Vielleicht ist der ja anders. Vielleicht.

    Wenn er das zweite Mal zu Della fuhr, wollte Talmadge ihr etwas mitbringen. Grüne Äpfel, Süßigkeiten – Zitronendrops, die hatte sie immer gemocht – und Zeitschriften. Er stand im Gemischtwarenladen vor dem Zeitschriftenregal und überlegte, was ihr gefallen könnte. Als der Verkäufer merkte, wie lange Talmadge dort stand, fragte er ihn, ob er ihm behilflich sein könne. Talmadge sagte, er suche etwas für eine junge Frau. Angelene?, fragte der

Weitere Kostenlose Bücher