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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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dort hinaufgeritten und hatten sie auf die Hochebenen und ins Flachland hinuntergetrieben, weswegen die Pferde tiefen Groll gegen sie hegten; sie preschten hierhin und dorthin, warfen den Kopf hoch und runter und stießen ranzigen Pferdeatem aus ihren ranzigen Pferdelungen. So hatte er es sich als kleiner Junge vorgestellt, wenn er nachts wach lag, unfähig zu schlafen, solange sie unten auf dem Feld waren. Er begriff nicht, was für Geschöpfe das waren. Was meinst du damit?, hatte seine Mutter gesagt. Es sind Pferde, Talmadge. Aber sie waren nicht zu begreifen, weder einzeln noch als Herde. Auch jetzt fiel es ihm schwer, den Blick von ihnen zu wenden.
    Die Reiter kamen einer nach dem anderen aus dem Wald und hoben den Arm zum Gruß, auch Clee, auf einem dunklen Palomino mit gelb gefleckter Mähne, ebensolchem Schweif und einem silbernen Medaillon auf dem Brustriemen. Aber er sah ernst aus und lächelte nicht. Irgendetwas musste unterwegs passiert sein, dachte Talmadge, sodass sie ungewollt früher dran waren als sonst; deshalb schaute Clee so grimmig. Talmadge und Angelene hatten inzwischen das Feld erreicht, und die Männer kamen durch die Herde hindurch zu ihnen geritten.
    Als Talmadge, Clee und der Cowboy sich auf der Veranda niedergelassen und die Hüte abgenommen hatten und Angelene hineingegangen war, um Kaffee zu holen, erzählte ihm der Cowboy, einer der Männer habe zwei Tage zuvor einen Späher gesehen – von der Behörde –, deshalb hätten sie beschlossen, einen anderen Weg einzuschlagen als sonst, zuerst nach Norden und dann im Bogen zurück, was sie normalerweise vermieden, weil das Gelände dort rauer und unwegsamer sei. Aus diesem Grund seien sie schon so früh hier. Während der Cowboy sprach, holte Clee ein Taschentuch heraus und wischte sich mit geschlossenen Augen den Schweiß vom Gesicht.
    Talmadge nickte. Er und Angelene seien mehr oder weniger vorbereitet auf sie, sagte er. Was noch zu tun sei, könnten sie alle zusammen in den nächsten paar Tagen erledigen.
    Im Grunde war er erleichtert, dass die Männer so früh gekommen waren, denn er hatte Angelene noch nichts von Della erzählt. Angelene schien nicht darüber reden zu wollen. Nun würden sie alle gemeinsam arbeiten, und er könnte das Gespräch noch ein wenig aufschieben. Aber er musste es ihr bald sagen, dachte er, denn die Situation betraf ja auch sie. Er würde es tun, sobald die Männer fort waren.
     
    Die Männer hatten am Morgen Rehe gejagt und die Kadaver auf den Rücken einiger Pferde hertransportiert. Kurz nach ihrer Ankunft trugen einige Männer, darunter Clee, die Rehe auf die windabgewandte Seite des Feldes, fern von den Pferden, um sie zu schlachten. Sie errichteten ihr Lager und garten das Wild über großen Feuern.
    Nachdem Clee die Essensvorbereitungen überwacht hatte, setzte er sich neben ein Feuer und stopfte seine Pfeife. Talmadge saß neben ihm auf einem Klappstuhl aus Holzpflöcken und Leinwand. Müde verfolgte er die Handgriffe des anderen, dachte an die vielen Jahre, die er Clee schon beim Pfeifestopfen zugesehen hatte. Clees Bewegungen, sein Gesicht, waren Talmadge so vertraut wie seine eigenen, und doch gab es eine Kluft zwischen ihnen, die sie sich nie genau anschauten. Unterschiedliche Leben. Er hatte diesen Vorgang schon als Jugendlicher gesehen, wenn er neben Clee saß, den Geruch der Pferde und des Holzrauchs in der Luft, doch zugleich schien ihm das, was Clees geschickte Hände, seine langen Finger da machten, einzigartig und neu. Es war die Beiläufigkeit, aber auch die Feierlichkeit, die ernste Stille, die Talmadge daran so mochte.
    Clees Hände waren vom Schlachten rot gefleckt. Blut klebte an seinen Manschetten. Er zog ein paar Mal an der Pfeife, und schon mischte sich der Tabakduft mit dem Geruch von Feuer und Wild. Der Himmel verdunkelte sich, und als Talmadge das Gesicht etwas vom Feuer zurückzog – er hatte Rauch in den Augen –, spürte er die kalte Luft. Es war Abend geworden. Die Flammen loderten hoch. Die Männer redeten und lachten, und um sie herum war das Geräusch der Pferde, das nie erstarb. Es war laut und leise zugleich, wie ein Grundgeräusch, auf das sich andere aufbauen. Man hörte die Pferde erst, wenn man auf sie horchte, doch dann waren sie sehr laut. Seltsam, dass ihre Anwesenheit der Stille gleich schien – bis sie wieder fort waren, und erst dann begriff man, was Stille wirklich war.
    Clee betrachtete ihn; hielt seine Pfeife hoch: Wo war Talmadges Pfeife?
    Talmadge

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