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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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war. Er wollte einen guten Eindruck machen.
    Der Amtsrichter nickte. Er blickte mit gerunzelter Stirn über Talmadges Schulter und sagte, als fiele es ihm gerade ein: Ich hatte damals eine wichtige Angelegenheit zu regeln, sonst wäre ich hier gewesen und hätte Sie persönlich empfangen. Ich weiß, dass Sie von weit her kommen. Aus der Nähe von Wenatchee, nicht wahr? Wenn ich mich recht entsinne, hatten wir Ihnen ein Telegramm geschickt, nachdem wir entschieden hatten, dass Sie sie nicht besuchen können …
    Talmadge nickte unbestimmt. Er hatte nie ein Telegramm erhalten. An welche Adresse mochte es gegangen sein? Ans Postamt?
    … aber ich fürchte, es hat Sie zu spät erreicht. Sie sind … über Land gekommen? Mit dem Pferd?
    Wagen, sagte Talmadge. Maultier. Aber diesmal mit dem Zug.
    Der Amtsrichter nickte wieder. Sein Blick wanderte zu dem Leinensack zu Talmadges Füßen.
    Geschenke, sagte Talmadge. Für sie.
    Der Amtsrichter nickte zerstreut und sah Talmadge kurz in die Augen. Ein unbehagliches Schweigen entstand.
    Verzeihen Sie, sagte der Amtsrichter. Es geht mich … vielleicht nichts an. Aber wer sind Sie? In welcher Beziehung stehen Sie zu Miss Michaelson, wenn Sie mir die Frage erlauben?
    Talmadge setzte sich anders hin. Er hatte natürlich mit dieser Frage gerechnet, aber sie brachte ihn trotzdem aus der Ruhe.
    Ich habe mich eine Zeit lang um sie gekümmert, als sie jünger war, sagte er. Bevor sie … sich allein aufgemacht hat. Ich habe für sie gesorgt. Für sie und ihre Schwester. Und jetzt bin ich hier, um ihr zu helfen, falls sie es braucht.
    Der Amtsrichter musterte ihn. Ich verstehe, sagte er. Einige Sekunden verstrichen. Dann: Ich nehme an, Mister Marsden hat Sie über die Geschehnisse unterrichtet? Über …
    Den Mann im Holzfällerlager, ja, sagte Talmadge und räusperte sich wieder. Davon habe ich gehört. Und auch – er sprach jetzt lauter, als wollte er den anderen von etwas überzeugen –, dass sie ein Geständnis abgelegt hat … Das ist doch gut, würde ich sagen.
    Ja, natürlich, sagte der Amtsrichter. Er schien mit den Gedanken woanders zu sein, irgendetwas abzuwägen, dachte Talmadge. Er richtete den Blick wieder über Talmadges Schulter und betrachtete diesen und jenen Teil der Wand.
    Gegenwärtig werden ihre Behauptungen überprüft, sagte er schließlich. Es kann eine Weile dauern, bis wir Näheres erfahren. Bis jetzt haben wir noch nichts gehört, und es ist anderthalb Monate her …
    Ich möchte gern wissen, unterbrach ihn Talmadge, warum sie letztes Mal eingesperrt war. Warum ich sie nicht sehen durfte.
    Der Amtsrichter hob die Brauen. Ich entschuldige mich dafür, dass ich letztes Mal nicht hier war, um es Ihnen zu erklären, sagte er und verstummte. Erneut betrachtete er die Wand über Talmadges Schulter. Er weiß nicht, ob er mir trauen kann, dachte Talmadge plötzlich, und die Vorsicht des Mannes beeindruckte und beunruhigte ihn gleichermaßen.
    Sie hat sich danebenbenommen, sagte der Amtsrichter stirnrunzelnd. Sie … hat die Beherrschung verloren.
    Talmadge wartete ab. Er stellte sich vor, wie Della einen Wutanfall bekam, als wäre sie noch ein Kind. Wie sie ihr Essenstablett gegen die Gitterstäbe pfefferte, einen Wärter mit ihrem Stiefel bewarf. Aber das reichte doch alles nicht aus, um sie wegzusperren.
    Was hat sie gemacht?
    Der Amtsrichter schürzte die Lippen. Zögerte. Schließlich sagte er: Sie hat jemanden angegriffen.
    Jemanden
angegriffen?
Talmadges Stimme war anzuhören, dass er es nicht glaubte, es für ganz unmöglich hielt – sie klang fast verächtlich.
    Ja, Mr Talmadge.
    Aber … wie? Wen hat sie angegriffen?
    Der Amtsrichter presste die Kiefer aufeinander. Anscheinend hat sie sich eine Waffe besorgt … oder eher
gemacht …
und als sie an einem der männlichen Häftlinge vorbeikam, hat sie zugestochen.
    Wieder zugestochen, dachte Talmadge und versuchte, es sich vorzustellen, doch trotz allem, was er über das Mädchen wusste, gelang es ihm nicht.
    Und was ist passiert?, fragte Talmadge ungeduldig. Ist er verletzt?
    Der Amtsrichter zuckte die Achseln. Die Verletzungen sind nicht der Rede wert, sagte er. Aber ihr vorsätzliches Handeln umso mehr. Auf einen anderen Häftling einstechen? In meiner Haftanstalt? Der Amtsrichter lachte kurz auf. Deshalb habe ich darauf bestanden, dass sie in Einzelhaft kam …
    Talmadge konnte sich nicht dazu aufraffen, zu nicken und damit seine Zustimmung zu bekunden, also rührte er sich nicht.
    Was hat

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