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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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Amtsrichter in den Zellentrakt. Seine Ohren fühlten sich sofort an wie mit Watte verstopft. Es war düster, still. Die Luft roch nach Zigarettenrauch und Feuchtigkeit.
    Er hustete.
    Normalerweise haben wir einen anderen Raum für Besucher, aber er wurde letzte Woche überschwemmt … Haben Sie da unten in Ihrer Gegend auch solche Regengüsse? Nein? Ein paar Männer sind noch mit den Reparaturen beschäftigt. Ein Teil des Bodens ist beschädigt, was ein Jammer ist. Es ist der Originalboden, Kiefernholz … Der Amtsrichter hielt inne. Aber sie ist im Moment die Einzige hier, ich kann Sie also ruhig allein lassen. Zwanzig Minuten, mehr nicht. Und ich lasse die Tür offen. Rufen Sie den Wärter, wenn Sie irgendetwas brauchen …
    Aber Talmadge hörte diese letzten Worte nicht mehr und merkte auch nicht, wie der Amtsrichter wegging, denn er hatte Della entdeckt.
    Sie saß auf dem Bettrand. Erst nach einer Weile wandte sie ihm den Kopf zu. Es war nur ein kurzer Blick, nicht so sehr ängstlich, als vielmehr wachsam und ungläubig – als sähe sie einen Geist. Dann schaute sie wieder geradeaus. Ihr Körper bewegte sich bei all dem kaum.
    Mehrere Minuten verstrichen.
    Hallo, sagte er schließlich. Dann: Du siehst gut aus. Doch seine Stimme strafte ihn Lügen.
    Wieder wandte sie ihm kurz das Gesicht zu.
    Er nahm den Hut ab.
    Hatte sie doch Angst? War es das? Es behagte ihm nicht, dass sie nicht mit ihm sprach.
    Unbeholfen stand er da.
    Wir haben herausgefunden, wo du bist. Ich war schon einmal hier. Hast du meinen Brief bekommen? Ich wollte dich schon mal besuchen …
    Am Ende des Gangs, jenseits der Tür, hörte er den Wärter husten. Irgendwo in dem Trakt tropfte ein Wasserhahn.
    Della wischte sich jetzt mit dem Unterarm über die Nase. Als sie sich räusperte, spitzte er die Ohren, gespannt, wie ihre Stimme jetzt klang. Aber sie sagte nichts.
    Sie haben mir erzählt, was passiert ist …
    Aber er hätte nicht davon anfangen sollen. Ihr Gesicht verkrampfte sich. Es war nur eine winzige Veränderung, im Grunde mehr zu spüren als zu sehen. Sie stützte sich mit den Händen auf die Matratze, bewegte sich ganz leicht.
    Ich habe mit dem Richter darüber gesprochen, wann du rauskommst. Wenn du hier raus bist, können wir …
    Es war nicht der richtige Zeitpunkt, davon zu reden. Warum tat er das?
    Er hob den Leinensack an.
    Das hier ist für dich. Von … uns allen. Von mir, von Caroline Middey und von Angelene.
    Sie blickte aus den Augenwinkeln zu ihm.
    Er griff in den Sack.
    Komm näher, dann gebe ich dir die Sachen. Ich muss den Sack wieder mitnehmen.
    Er dachte, sie würde sich nicht von der Stelle rühren, doch dann stand sie auf und trat ans Gitter. Zuerst hatte er den Eindruck, sie sei größer geworden, doch als sie näher kam, schien sie ihm geschrumpft zu sein. Aber es war keine gewöhnliche Schrumpfung. Von ihrem Körper waren nur ihre Augen übrig und ihr Rumpf, muskulös, aber zugleich sehnig-mager und elend, wie Menschen es sind, die kein Zuhause haben und bei Wind und Wetter draußen leben. Ihr Gesicht – ihr Blick – war abwesend und fremd. Es wollte einen glauben machen, dass sie niemanden auf der Welt kannte. Und diese Härte um ihren Mund: Er wollte ihn auf einmal berühren, ihn wieder zurückverwandeln in den Kindermund von einst, als sie von dumpfer Leidenschaft erfüllt gewesen war. Er hatte den damaligen Ausdruck nicht gemocht, aber er war besser als diese Distanz, diese Resignation. Er wollte ihren früheren Schmerz zurückholen. Doch dieser Mund war über allen Schmerz hinaus. Er könnte ihn schlagen, und er würde sich nicht verändern. Ihre Augen waren zugleich wunderschön – schwarzdunkel wie eh und je – und leer. Er wollte das Mädchen durch die Gitterstäbe hindurch berühren, wollte hineingreifen und sie an den Armen packen, nicht so sehr, um sie zu schütteln, sondern um fest zuzudrücken. Als sie die Hand nach der Zeitschrift ausstreckte, die er ihr jetzt reichte, sah er eine Tätowierung an der Innenseite ihres schmalen, harten Handgelenks.
    Eins nach dem anderen gab er ihr die Geschenke, bis ihre Arme übervoll waren. Auf seine Aufforderung hin legte sie die Zeitschriften, Bonbons und Äpfel auf dem Bett ab und packte, mitten in der Zelle stehend, das Paket von Caroline Middey aus, das er nach der Inspektion des Wärters unordentlich wieder eingewickelt und verschnürt hatte. Linkisch hielt sie die Lederhose und das lilafarbene Hemd hoch. Auf ihrem Gesicht absolute

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