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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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dieser Mann denn getan?, fragte Talmadge, nachdem er sich die Situation noch einmal auszumalen versucht hatte. Sie hätte ihn doch nicht angegriffen, schien er sagen zu wollen, wenn er sie nicht auf irgendeine Art provoziert hätte.
    Der Amtsrichter zuckte die Achseln. Was hätte der Mann ihr denn tun können? Soweit er wisse, hätten die beiden nie ein Wort miteinander gewechselt. Sie habe mit keinem ihrer Mithäftlinge je gesprochen; sie würden voneinander ferngehalten, außer, wie er zugeben müsse, bei dieser einen Gelegenheit, als besagtes … Missgeschick passiert sei. Die Wärter seien unaufmerksam gewesen und hätten die Männer vom Hof hereingebracht, als Della gerade hinausgeführt worden sei; da hätten sich ihre Wege gekreuzt.
    Wir haben unseren Fehler in der Sache eingeräumt, sagte der Amtsrichter. Ein Mann ist entlassen worden. Aber da dies ein persönlicher Angriff war … Er hielt inne und schüttelte den Kopf, bevor er langsam weitersprach, als hätte er sich die Worte sorgfältig überlegt und wollte sie mit entsprechender Sorgfalt vorbringen: Ich glaube, es hatte mehr damit zu tun, dass sie sich irgendwie produzieren, vielleicht ihre Überlegenheit beweisen wollte. Er dachte nach. Vielleicht war es eine Botschaft an mich. Ich bin mir nicht sicher.
    Talmadge wusste nicht, was er von dieser Mutmaßung halten sollte. Einige Sekunden lang schwiegen sie beide.
    Was sagt sie selbst dazu?, fragte Talmadge.
    Der Amtsrichter zuckte erneut die Achseln und seufzte. Gar nichts. Als sie hier reinkommen wollte, hat sie vor Mitteilungsbedürfnis nur so gesprudelt, aber jetzt hält sie den Mund. Ich weiß nicht, was sie im Schilde führt. Oder ob sie einfach verrückt ist. Ich bin mir nicht sicher. Er taxierte Talmadge. Vielleicht können
Sie
es mir ja sagen.
    Talmadge schwieg. Es gefiel ihm nicht, dass der Amtsrichter Della verrückt genannt hatte. Sein Ton gefiel ihm inzwischen generell nicht mehr. Er wandte den Blick ab und sagte: Ich habe sie lange nicht gesehen. Ich weiß nicht … ich müsste erst mal mit ihr sprechen.
    Der Amtsrichter nickte. Er dachte kurz nach und fragte: War sie schon immer so … heftig?
    Talmadge antwortete nicht gleich.
    Nein, sagte er dann, doch die Antwort kam zu spät. Er konnte die Skepsis des anderen spüren.
    Talmadge folgte dem Amtsrichter über den hohen, hallenden Korridor in den östlichen Teil des Gebäudes. Eine Treppe weiß gekalkter Stufen hinunter. Vor dem Zellentrakt hielt ein sehr ernster und stattlicher Wärter Wache. Auf Verlangen des Amtsrichters schloss er die Tür auf; der Amtsrichter wandte sich Talmadge zu und sagte, er sei gleich zurück.
    Der Wärter tastete Talmadge ab.
    Haben Sie eine Schusswaffe dabei? Ein Messer?
    Nein, sagte Talmadge, doch dann fiel ihm sein Taschenmesser ein. Er holte es heraus und gab es dem Wärter, der es in ein Regal unter seinem Tisch legte.
    Das können Sie sich wieder abholen, wenn Sie gehen.
    Der Wärter bat Talmadge, seinen Leinensack auszupacken und alles auf den Tisch zu legen. Talmadge nahm die Zeitschriften heraus, das Paket von Caroline Middey – das muss ich auspacken, Sir –, die losen Äpfel, die mit Schnur umwickelte Tüte Zitronendrops. Bonbons, sagte Talmadge, und der Wärter beäugte ihn misstrauisch, drehte sich um und wog die Äpfel auf einer hinter ihm stehenden Waage ab. Während er das tat, tastete Talmadge in dem Leinensack nach dem letzten Gegenstand, der noch darin war, Angelenes Geschenk. Er wollte es dem Mann nicht geben, wollte nicht, dass er die säuberlich darum gebundene Schnur zerschnitt und das kleine »Für Della«-Kärtchen in der schönen Schrift beschädigt oder auch nur von jemand anderem gesehen wurde. Er wollte Della ein Geschenk übergeben, das der Wärter nicht angerührt und das niemand vorher gesehen hatte, nicht mal er selbst. Und so ließ er die Schachtel, bevor der Mann sich wieder umdrehte, ohne das leiseste Zittern seiner Hand oder seiner Stimme, als er auf die Frage des Wärters antwortete, ob das alles sei, in seiner Jackentasche verschwinden.
    Ein paar Äpfel müssen Sie hierlassen, sagte der Wärter. So viele sind nicht erlaubt.
    Können Sie die für sie aufbewahren?, fragte Talmadge, als der Amtsrichter gerade durch die geöffnete Tür kam und ihn heranwinkte. Talmadge packte seine Sachen wieder ein, nahm nur zwei Äpfel mit – die anderen hole ich mir nachher ab –, und der Wärter legte sie kommentarlos in das Regal unter dem Tisch.
    Talmadge folgte dem

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