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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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sein?
    Und dann redete Frederick. Ende der Woche, sagte er, würde Michaelson nach Seattle ins Krankenhaus gebracht.
    Della hielt erschrocken inne. Warum erzählte er ihr das? Sie fragte ihn, ob er glaube, dass sie sich über diese Nachricht freue. Er zögerte und antwortete dann, es erscheine ihm nicht gerecht, dass ein Mann wie Michaelson in der Geborgenheit eines Krankenhauses sterben dürfe, während jemand wie sie, Della, wegen eines Verbrechens eingesperrt sei, das sie wahrscheinlich nur begangen habe, um sich selbst zu schützen.
    Ist es nicht so?, fragte er und schaute sie dabei an. Und da begriff sie, was er meinte. Ja, antwortete sie. Sterben wird er sowieso, sagte Frederick und wandte den Blick ab. Man würde dem Dreckskerl wahrscheinlich noch einen Gefallen tun. Und er schnaubte leise, sammelte Schleim, wie um auszuspucken; tat es aber nicht.
    Jemand hatte ihm wehgetan, dachte sie plötzlich, obwohl sie es gar nicht wissen wollte. Aber sie wusste es. Dem großen, lässigen Frederick. Oder nicht ihm, sondern seiner Mutter. Einer Schwester.
    Della fragte ihn, ob er ihr wirklich gerade gesagt habe, was sie gehört zu haben glaubte.
    Er habe am Morgen der Verlegung Dienst, war seine Antwort, und würde kommen und ihre Zelle öffnen. Er würde ihre Zelle öffnen und dann verschwinden. Alles Weitere ist Ihre Sache, sagte er. Damit habe ich nichts mehr zu tun.
    Doch dann sah er sie wieder an.
    Die werden Sie höchstwahrscheinlich kriegen, sagte er. Selbst wenn sie Sie nicht auf frischer Tat ertappen … aber das werden sie … wird ihnen klar sein, wer es war. Das ist nicht gut für Sie. Er verzog gequält das Gesicht. Ich meine, Sie werden es tun, aber … Sie müssen wissen, dass man Sie erwischen wird. Sie müssen … überlegen, ob es das wert ist. Wenn ja, gut. Aber wenn nicht …
    Doch Della konnte das alles nicht aufnehmen, sie war unfähig, ihm zuzuhören. Ihr Körper war kalt geworden, und ihre Fingerkuppen pochten. Ich bin ein Vogel, dachte sie. Ich bin so leicht wie die Luft.

    Die Ernte war noch nicht vorbei, doch die Männer hatten ihren Teil des Pflückens erledigt und packten ihre Sachen zusammen. Auch Talmadge packte. Er und Clee wollten mit den Männern aufbrechen und später getrennt nach Chelan weiterreiten.
    Er erklärte Angelene nicht, was los war, was sie vorhatten. Wir besuchen Della, sagte er nur, ohne sie anzusehen.
    Kommt sie mit dir zurück?, fragte sie ihn verdutzt. Gab es Entwicklungen, von denen er ihr nichts gesagt hatte? Einen Brief vom Richter? Oder vom Amtsrichter? Oder von Della selbst? Und wenn, warum hatte er ihr nichts davon erzählt? Warum sah er sie jetzt nicht an? Er wollte noch nicht einmal ihre Fragen beantworten.
    Ich kann dir helfen, sagte sie. Egal, was ist, ich kann dir helfen …
    Du hilfst mir, indem du hierbleibst und keine Fragen stellst.
    Gekränkt zog sie sich mit ihrem Pflücksack tief in den Obstgarten zurück. Es würde ihm leidtun, wie er mit ihr gesprochen hatte, dachte sie, und er würde reumütig hinter ihr herkommen. Doch er kam nicht. Als sie nach Einbruch der Dämmerung hungrig zur Hütte zurückkehrte, hatte er sich schon schlafen gelegt.
     
    Clee hatte ein Pferd für Talmadge ausgesucht, und während die anderen Männer am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang ihre Zelte abbrachen, packte Talmadge seine Satteltaschen. Angelene saß in eine Decke gehüllt auf der Veranda und sah ihm zu. Als er fertig war, ging er hinein und stellte fest, dass der Tisch gedeckt war und sie Frühstück für sie beide gemacht hatte. Er zögerte, trat dann wieder auf die Veranda hinaus.
    Danke, sagte er.
    Nach einer Weile stand sie auf, und sie gingen beide hinein. Während des Essens redeten sie kein Wort.
    Er wollte sie nicht verletzen. Wenn er auf die Plantage zurückkehrte, wenn diese ganze Situation geklärt wäre, dann würde er sich wieder mehr um sie kümmern, dachte er, nachdem er mit Clee und den anderen Männern losgeritten war. Er wusste, dass er in der letzten Zeit mit seinen Gedanken woanders gewesen war, dass er seine Pflichten auf der Plantage und ihr gegenüber vernachlässigt hatte. Aber das lag nur daran, dass das andere Mädchen in Chelan ihn so sehr brauchte. Angelene hatte er ein paar Wochen lang vernachlässigt, Della jedoch jahrelang – fast von Anfang an. Es war an der Zeit, das wiedergutzumachen.
    Er hätte strenger mit Della sein sollen, anstatt sich vorzugaukeln, er schenke ihr ihre Unabhängigkeit und Freiheit. Er hätte sagen sollen:

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