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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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Schließlich entschied er sich für einen und schnitt mit seinem Taschenmesser in die Rinde. Dann setzte er zwei Zoll oberhalb des kaputten Astes ebenfalls einen Schnitt und fügte beide so zusammen, dass sie, einen Komplementärwinkel bildend, genau ineinanderpassten. Er hatte gut gewählt und geschnitten und war zufrieden. Aus dem Schuppen holte er einen Topf Wachs und etwas Schnur und fertigte dem neuen Ast eine Manschette.
    Wie ein großes Kind saß er über seine Arbeit gebeugt im Gras. Der Schrecken des nächtlichen Traumes hatte sich nahezu verflüchtigt. Die beiden Mädchen beobachteten ihn vom Rand des Feldes aus. Sie redeten nicht miteinander, sondern saßen nur regungslos in der Hitze. Eine von ihnen krallte die Finger in den Boden, hob eine Handvoll Dreck an den Mund und aß ihn.
     
    Er bemerkte sie an diesem Tag nicht. Doch am nächsten sah er sie, als er auf halber Höhe in einem Apfelbaum stand, durch die Baumreihen geschlendert kommen. Er machte sich mit der Schere weiter an den oberen Ästen zu schaffen und beobachtete sie aus dem Augenwinkel. Nicht weit von ihm blieben sie stehen und setzten sich ins Gras. Die Kleinere strich mit der Hand über die Grashalme, ließ dann davon ab und wandte den Kopf, als hätte sie einen Ruf gehört. Als er vom Baum herunterstieg, richteten sie sich kerzengerade auf und hielten still, jedoch ohne ihn anzusehen. Er tat so, als bemerkte er sie nicht – so schien es ihnen lieber zu sein –, und erwog kurz, außen um die Reihe herumzugehen, um nicht direkt an ihnen vorbeizukommen, doch dann ging er auf sie zu. Sie erstarrten. Er näherte sich ihnen, ging vorbei. Sobald er den Apfelgarten hinter sich gelassen hatte, folgten sie ihm über das Feld und durch den Bach, dann den Hang hinauf bis zum Schuppen, wo er die Schere ablegte. Als er wieder hinauskam, standen sie zögernd am Rand des Pflaumengartens. Er näherte sich ihnen, worauf die Kleinere zurückwich, die andere aber – Zopf über der Schulter, schläfriger Blick – stehen blieb.
    In der Hütte machte er sich daran, Forellen zu braten, die er am Morgen gefangen hatte. Als er sich vom Herd abwandte, schaute er kurz zur Tür hinaus und sah, dass sich die Größere über das Gras weiter herangewagt hatte. Die Kleinere stand am Rasenrand und blickte über die Schulter, wie um den Fluchtweg abzuschätzen.
    Fisch, Tomaten, Eier und Zwiebeln, gebratenes Brot. Sein Gesicht rötete sich. Er arbeitete mit Hingabe. Es wurde heiß in der Hütte, roch stark nach gebratenem Fisch und Zwiebeln.
    Die Langhaarige lungerte vor der Veranda herum. Die Abenddämmerung hatte sich über das Gras gelegt, und das andere Mädchen war ein Schatten auf seinem Rasen. Er stellte zwei Teller mit Essen auf die Veranda. Dann drehte er sich um und ging wieder in die Hütte.
    Er setzte sich an seinen Tisch, einen Teller Fisch vor sich. Eine Minute später erhob er sich, blies die Laterne aus, die auf dem Ofensims stand, trat an die Tür und sah hinaus. Die Mädchen knieten im Gras, die Köpfe dicht zusammen, und aßen schweigend.
     
    Je einhundert Dollar, war auf dem Plakat zu lesen, für das Ergreifen von zwei Mädchen namens Jane und Della. Auszuhändigen an James Michaelson aus Okanogan, Washington.
    Er betrachtete das Plakat, das neben der Tür des Futtermittel- und Haushaltswarenladens an die Wand genagelt war, und dachte an die Suchmeldung, die er selbst all die Jahre zuvor aufgegeben hatte, und wie der Notar in der Bank ihn gefragt hatte: Wie schreibt man das … Elsbeth? Und Talmadge starrte ihn aus wunden Augen an – er war siebzehn Jahre alt, und seine Schwester war vor nahezu drei Tagen im Wald verschwunden –, und der Notar seufzte und wedelte mit dem Stift, beugte sich dann vor und schrieb: Wer etwas über den Verbleib von Miss Elsbeth Talmadge weiß, setze sich bitte mit William Talmadge in Verbindung – deine Adresse, Junge? Wieder der ausdruckslose Blick. Wie sollen die Leute dich erreichen? Talmadge schüttelte den Kopf, hob den Arm und zeigte nach Westen, wo die Berge waren. Der Notar sagte beinahe ärgerlich: Wie wär’s, wenn sie eine Nachricht auf dem Postamt hinterlassen? Was meinst du? Talmadge nickte, und der Notar schrieb den Rest der Meldung, blickte auf und sagte: So. Talmadge sagte: Es gibt eine Belohnung. Der Notar sah ihn betrübt an. Wie viel denn? Hundert Dollar, antwortete Talmadge. Der Notar lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Junge, hast du überhaupt hundert Dollar? Talmadge zögerte. Er

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