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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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der Junge gezeigt hatte. Er wusste genug, um kehrtzumachen und nach Hause zu fahren. Aber er zögerte noch. Schließlich trieb er das Maultier weiter.
     
    Sobald er aus den Bäumen heraus auf die Lichtung kam, setzte sich in einiger Entfernung, vor einer Scheune mit Mansardendach, ein Junge in Bewegung. Als er sich näherte, sah Talmadge, dass er dünn, blass und rothaarig war und die Ellbogen beim Gehen leicht nach außen drehte. Talmadge bemerkte auch den starken Kiefer und einen harten Zug um die Augen. Er schätzte den Jungen auf ungefähr fünfzehn Jahre.
    Ihr Maultier, Mister.
    Talmadge blieb noch einen Moment auf dem Maultier sitzen, um die Landschaft und den Zustand von Haus und Scheune in sich aufzunehmen. Das Haus war ungefähr hundertfünfzig Fuß entfernt, aus dem Schornstein kam kein Rauch. Die Scheune lag ein ganzes Stück weiter zurück, auf dem Feld. Ein Teil davon war verkohlt und in sich zusammengestürzt. Schwalben flogen ein und aus.
    Talmadge stieg vom Maultier.
    Jemand hat versucht, sie abzubrennen, sagte der Junge. Ein paar nichtsnutzige Mädchen.
    Was?
    Die Scheune.
    Talmadge gab ihm die Zügel. Er rückte den Riemen zurecht, der das in Leinen gehüllte Gewehr auf seinem Rücken hielt. Ich möchte zu Michaelson.
    Der Junge zeigte mit dem Kopf zum Haus. He, sagte er, als Talmadge sich zum Gehen wandte.
    Talmadge drehte sich zu ihm um.
    Ihr Gewehr, sagte der Junge.
    Talmadge berührte erneut reflexartig den Riemen an seiner Brust. Aber er nahm das Gewehr nicht ab.
    Der Junge hob die Augenbrauen. Wie Sie wollen, sagte er. Aber ihm wird’s nicht gefallen.
    Das Haus, aus Faser- und Fichtenholz, war schlecht gebaut. Die Veranda knarrte abscheulich unter seinen Füßen. Zwei Laternen hingen an Haken links und rechts von der Tür, das Glas rußverschmiert. Die äußere Tür stand offen, nur die Fliegengittertür war zu. Er konnte ins Haus hineinschauen, in einen Raum, der wie ein Wohnzimmer aussah, und einen weiteren Raum, die Küche vielleicht, dessen Fenster schmutziges Licht gab. Er zögerte, bevor er zweimal an den Türrahmen klopfte. Im Innern des Hauses regte sich etwas, und Talmadge nahm Haltung an und horchte. Ein Räuspern, gedämpfte Schritte, dann tauchte ein Mann hinter dem Fliegengitter auf. Er war groß – einen ganzen Kopf größer als Talmadge, der knapp eins fünfundachtzig maß –, mit einem Riesenschädel, mattbrauner Haut, breitem Mund und steinfarbenen Augen unter schweren Lidern. Talmadge hielt es auf einmal für möglich, dass er blind war. Er blickte bleiern über Talmadges Schulter. Und er bewegte sich sehr langsam, schlurfend. Doch dann begegneten sich ihre Blicke, und Talmadge nahm eine Reaktion wahr. Der Mann konnte ihn sehen. Talmadge schaute rasch weg. Griff, wieder reflexartig, nach dem Lederriemen über seiner Schulter. Der Mann beobachtete Talmadge, ohne mit der Wimper zu zucken – das Gewehr hatte er allerdings wahrgenommen, glaubte Talmadge –, und öffnete die Fliegengittertür, während er sich gleichzeitig die Ärmel seines abgetragenen weißen Hemdes aufkrempelte. Kommen Sie rein, sagte er. Ein teilnahmsloses Murmeln.
    Talmadge trat ein.
    Das Fliegengitter klappte zu.
    Der Mann spreizte abwesend die Hand, um auf die etlichen Sitzgelegenheiten zu deuten – mehrere mit Knautschsamt bezogene Sofas, die muffig rochen, und drei Stühle mit dem gleichen Bezug in verschiedenen Farben, Smaragd, Rubin, Senf. Bitte, sagte der Mann – wieder der teilnahmslose Ton –, kratzte sich am Hinterkopf und setzte sich auf die Kante des smaragdfarbenen Stuhls. Talmadge nahm ihm gegenüber Platz, hob das Gewehr über den Kopf und legte es sich quer auf den Schoß. Michaelson beugte sich vor, öffnete eine Zigarrenkiste auf dem niedrigen Tisch und blickte so ungefähr in Talmadges Richtung – ein Angebot –, doch Talmadge hob dankend die Hand. Der Mann nahm sich selbst eine Zigarre, zündete sie an, tat einen Zug und blieb dann still auf seinem Stuhl sitzen. Er starrte auf den Boden – abgewetzte, zerkratzte Kiefernbretter – und wirkte völlig abwesend, die Lippen aufeinander gepresst, als erinnerte er sich an etwas, das ihn sehr aufgeregt hatte.
    Dann schien er aus dem Bann oder was immer es war, das ihn da gepackt hatte, wieder herauszukommen.
    War offenbar niemand so nett, Ihnen Ihre Waffe abzunehmen, sagte er.
    Talmadge antwortete nicht. War der Mann krank?, dachte er. Hatte Talmadge ihn aus einem Nickerchen geweckt? Und noch etwas beunruhigte ihn: Er

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