Im Licht von Apfelbäumen | Roman
blühte es; von all den Düften in der Luft konnte einem beinahe übel werden, und obwohl es so spät am Tag war, machten sich die Bienen noch eifrig in den Krokussen zu schaffen, und die Vögel lärmten in den Bäumen. Der Großteil des Rasens lag im Schatten, und einen Moment lang wusste Caroline Middey nicht mehr, welchen Monat sie gerade schrieben oder wie alt sie war; und dann fiel es ihr wieder ein, und ihr wurde klar, dass sie dem Tod näher war als alles, was sie in letzter Zeit angefangen hatte – und warum sollte sie das überraschen? Dennoch schien die Erkenntnis, dass sie sterben würde wie all die anderen in diesem Moment neu und verband sich mit ihrem Garten, der ihr zugleich Geborgenheit gab und sie aus sich selbst herauslockte, in das Duftgemisch, den Krach hinein.
Warum hatte sie zu Talmadge gesagt, dass Della nicht mehr zu helfen sei? Sie hörte ihre eigenen Worte im Kopf, als kämen sie von einer anderen Person. Sie weinte jetzt, leise, um sich und um das Mädchen. Ihre Hände lagen links und rechts von ihr auf den warmen Brettern der Bank.
Wir gehören nicht nur uns allein, wollte sie sagen, aber es war niemand da, zu dem sie sprechen konnte.
Am nächsten Tag um ein Uhr ging Talmadge los, um Della abzuholen. Er durfte sie für die Dauer des Nachmittags mitnehmen; bei Einbruch der Dämmerung musste sie zurück sein.
Von zwei Wärtern flankiert, kam sie in den Korridor des Gerichts. Sie sah sehr klein zwischen ihnen aus. Sie trug einen verdreckten Cowboyhut und ein Männerhemd. Erst als sie direkt vor ihm stand, sah sie Talmadge an. Eine Spur von Neugier im Blick, bevor sie ihn wieder abwandte.
Der Amtsrichter erklärte ihnen, er gebe ihnen einen Wärter mit, einen jungen Mann namens Wallach, der sie begleiten und sicherstellen werde, dass Della nicht zu flüchten versuche. Talmadge beobachtete Dellas Gesicht, nahm jedoch keine Veränderung wahr. Sie dürften die Stadtgrenze nicht verlassen, sagte der Amtsrichter; sie dürften keinen Alkohol konsumieren. Ob sie das verstanden hätten? Ja, das hatten sie.
Als sie draußen waren, schlugen sie die Richtung ein, in der der See lag. Der junge, rothaarige Wärter folgte ihnen in einigem Abstand. Talmadge fragte Della, ob sie Hunger habe.
Sie gingen in das Wirtshaus, wo Talmadge bei seinem ersten Besuch gegessen hatte. Sie setzten sich an den Tresen – der junge Wärter wählte einen Tisch in der Nähe –, und Della bestellte Eier, Wurst und Toast, Orangensaft und Kaffee. Sie schwiegen, bis die Kellnerin alles serviert hatte; dann nahm Della den Hut ab und fing an zu essen.
Talmadge verspürte seltsamerweise nicht das Bedürfnis, mit ihr zu sprechen. Er beobachtete sie nur. Sie aß flink, mit gesenktem Blick. Ihre Haare waren ein wenig gewachsen, und sie hatte sie hinter die Ohren gestrichen. Das ließ sie noch jünger aussehen.
Als sie fertig war, wischte sie sich den Mund an ihrem Ärmel ab. Sie fragte ihn, ob er etwas zu rauchen habe. Er schüttelte den Kopf. Sie wischte sich erneut den Mund ab, diesmal mit den Fingern, rutschte von ihrem Hocker und ging zu dem Wärter, der im Essen innehielt – er hatte sich ebenfalls etwas bestellt –, eine Schachtel Zigaretten hervorzog und ihr eine gab. Sie blieb noch einen Moment bei ihm stehen – mit dem Rücken zu Talmadge, doch er konnte hören, dass sie leise mit ihm sprach –, und der Mann runzelte die Stirn und gab ihr noch eine Zigarette und noch eine, bevor er die Schachtel wieder einsteckte. Sie beugte sich leicht vor, und der Wärter gab ihr mit einem Streichholz Feuer.
Sie kam zurück, setzte sich zu Talmadge.
Die Kellnerin brachte ihr einen Aschenbecher.
Talmadge sah ihr zu. Wie lässig sie rauchte. Sie sah ihn aus den Augenwinkeln an. Ihr Blick hatte etwas an Schärfe gewonnen, nach der Stumpfheit – der Entrücktheit – während des Essens.
Wo gehen wir hin?
Runter zum See, dachte ich.
Sie antwortete nicht gleich.
Warum?
Er sah sie an. Wie meinst du das – warum? Er dachte, sagte es aber nicht: Würdest du lieber woanders hingehen?
Sie runzelte die Stirn; hatte eine Entgegnung auf den Lippen, bremste sich aber. Gut, sagte sie.
Er sah ihr wieder beim Rauchen zu.
Was ist das für eine Marke?
Sie hielt die Zigarette hoch, betrachtete sie. Warum?
Sag schon, was sind das für welche?
Sie zuckte die Schultern. Pall Mall.
Magst du die?
Sie zuckte erneut die Schultern, drehte sich dann um und sah aus dem Fenster auf die Straße.
Was rauchst du
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