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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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suchend; Della sah, dass sie schluchzte.
    Sie gehört mir, hatte Jane gesagt. Aber auch dir. Wir sind eins. Unsere Kinder sind eins.
    Lass mich los!, rief Della. Sie registrierte, dass sie regelrecht schrie. Lass mich los!
    Clee drängelte sich jetzt durch die Menge zu Talmadge und Angelene vor, mit düsterer Miene, alarmiert – doch er wurde am Ellbogen festgehalten, bevor er bei ihnen war, und an den Rand gezerrt.
    Tu doch was!, schrie Della. Tu etwas! Angelene!
    Das Mädchen drehte sich verdutzt in ihre Richtung; ihre Blicke trafen sich kurz, bevor Della, zappelnd und mit den Füßen tretend, die Treppen zur Plattform hinaufgeschleppt wurde.

    Talmadge hatte Angelene gebeten, in der Pension zu bleiben, und sie hatte mit unbewegter Miene und ohne das geringste Zögern in der Stimme eingewilligt. Es hätte nichts genützt, mit ihm zu diskutieren – das war ihr gleich klar geworden, als er wegen ihres Erscheinens so zornig und durcheinander gewesen war. Und so hielt sie sich am Tag von Dellas Flucht im Hintergrund und half ihm – so gut das eben ging, ohne die Pension zu verlassen – bei seinen Vorbereitungen. Alles, damit er nicht misstrauisch wurde und gar nicht erst auf die Idee kam, dass sie sich seinem Wunsch widersetzen könnte.
    Doch wie hätte sie bei allem, was dort auf dem Dampfer vor sich ging, in der Pension bleiben können? Natürlich würde sie das nicht tun.
    Sie zog ihr cremefarbenes Musselinkleid an, ihre guten Stiefel, einen kleinen Strohhut (sie musste Fieber gehabt haben, als sie den anderen gekauft hatte, dachte sie nicht zum ersten Mal) und schritt mit der Ruhe derer, die sich bewusst für den Ungehorsam entschieden haben, die Treppe hinunter.
    Sie gehen aus?, fragte die Wirtin höflich, aber auch ein wenig tadelnd, dachte Angelene, als sie die Eingangstür erreicht hatte.
    Ja, sagte sie und trat ohne ein weiteres Wort auf die Straße.
    Nachdem Talmadge aufgebrochen war, um Della abzuholen, hatte sie sich zunächst aufs Bett gesetzt, war später ans Fenster getreten und schließlich vierzig Minuten im Zimmer auf und ab gelaufen. Innerhalb der vier Wände der Pension war sie schrecklich angespannt gewesen, doch als sie nun die Straße entlangging, empfand sie ein seltsames, luftiges Hochgefühl. Wenn nichts schiefgegangen war, bestand wenig bis gar keine Gefahr, dass sie Talmadge und Della über den Weg laufen würde. Als sie sich der Plattform oberhalb des Sees näherte, vibrierte ihr Körper vor Aufregung; ihr Herzschlag füllte sie aus.
    Sie stand da und blickte auf das Wasser hinab. Den schönen, großen, glitzernden See. Der Wind frischte auf und zog an ihrem Hut. Sie legte reflexartig eine Hand darauf, um ihn festzuhalten.
    Was war es, fragte sie sich, was sie sehen wollte?
    Sie wollte sehen, wie der Plan erfolgreich ausgeführt wurde. Aber mehr noch wollte sie sichergehen, dass Talmadge alles unversehrt überstand.
    Ein Knall ließ sie zusammenzucken, Gewehrfeuer. Drei Frauen in ihrer Nähe drehten den Kopf in dieselbe Richtung, zum Strand. Und dann wandte eine von ihnen sich Angelene zu, ein verschwörerisches Grinsen im Gesicht. Was zum Teufel war
das?
, fragte sie. Anstelle einer Antwort versuchte Angelene zu lächeln. Ihr Mund war trocken. Sie konnte das Lächeln nicht lange aufrechterhalten; ihre Mundwinkel sackten nach unten. Sie dachte sogar, sie müsste sich übergeben. Die beiden anderen Frauen wandten sich höflich, peinlich berührt, ab. Angelene umfasste die Brüstung – sie war aus Holz und nass, fast schwammig unter ihren Handflächen –, schloss die Augen und atmete tief durch. Versuchte, sich zu beruhigen.
    Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie, wie eine Flut von Menschen den Strand hinunterströmte.
    Sie suchte die Menge ab, konnte aber weder Talmadge noch Della entdecken. Und dann sah sie weiter hinten, im Windschatten all der anderen Leute, drei Gestalten: einen Wärter, wie sie angesichts seiner Uniform annahm, und ein Stück dahinter Talmadge und Della. Der Abstand zwischen ihnen vergrößerte sich zusehends, während sie den Strand entlanggingen. Das war Teil des Plans, dachte Angelene. Das gehörte sicher dazu.
    Sie lief los, versuchte, auf der Plattform mit ihnen Schritt zu halten. Als sie einen Moment nicht hinsah, um einer unebenen Stelle am Boden auszuweichen, verlor sie sie aus den Augen; sie waren mit der Menge verschmolzen.
    Angelene blieb stehen und beobachtete alles von oben, aber sie konnte sie nicht mehr finden. Bestimmt passierte es

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