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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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ließen sich überreden, einem ein oder zwei von diesen Dingen zu geben, und wenige – ganz, ganz wenige – gaben einem das, was man wollte. Wichtig war, dass niemand eine Gegenleistung verlangte.
    Jetzt setzten sie sich in das hohe Gras zwischen dem Aprikosengarten und dem Rasen vor der Hütte. Der Mann hatte angefangen zu kochen und die Tür offen gelassen, eine Einladung, die sie nicht annehmen würden. Noch nicht. Am liebsten niemals. Das Zusammenleben mit Michaelson hatte sie beide gelehrt, dass man am Gesicht eines Mannes nichts Eindeutiges ablesen konnte, selbst wenn es freundlich wirkte. Freundlichkeit konnte sich mir nichts, dir nichts in ihr Gegenteil verkehren, konnte einem die Luft abdrücken oder mit dem Handrücken ins Gesicht schlagen.
    Es roch nach Pfannkuchen und Speck. Della ließ sich in einer gespielten Ohnmacht rückwärts ins Gras fallen, doch da Jane nicht auf ihren Scherz reagierte, richtete sie sich wieder auf und wartete.
    Endlich kam er auf die Veranda und stellte die Teller auf die oberste Stufe. Er stand da und hielt nach ihnen Ausschau. Falls er sie sah, gab er es nicht zu erkennen. Dann verschwand er wieder in der Hütte.
    Jane holte die Teller. Della blieb für den Fall, dass sie weglaufen müssten, am Rand des Rasens stehen. Als Jane zurückkam, setzten sie sich ins Gras und fingen sofort an zu essen, gleichzeitig den Duft einatmend, sodass sie sich verschluckten, keuchten, schlürften. Jane faltete einen ganzen Pfannkuchen in grobe Viertel und stopfte ihn sich in den Mund, und von der Anstrengung des Kauens traten ihre Augen hervor.
    Der Mann kam mit seinem Teller auf die Veranda und aß still und leise, den Teller auf dem Schoß. In der Hütte brannte die Laterne und erleuchtete den Raum hinter ihm.
    Später wartete Della, pappsatt, wieder im Gras, während Jane die Teller zur Veranda zurücktrug und die Steppdecken mitnahm, die auf der obersten Stufe für sie bereitlagen. Er hatte in der anderen Hütte Betten für sie gemacht – nichts weiter als mit Laub gefüllte Säcke, damit sie ihren Rücken ein wenig entlasten konnten –, aber sie schliefen lieber draußen. Drinnen zu schlafen, wo die Bäume und das Mondlicht ungestüme Schatten an die Wände warfen, kam ihnen widersinnig vor. Wenn man drinnen schlief, konnte man nie sicher sein, ob die Gefahr nicht direkt hinter der Tür lauerte, direkt hinter dem Fenster auf einen wartete. Schlief man dagegen draußen, wurde die Gefahr in die Irre geführt und ging an einem vorüber. Bei Michaelson hatten sie zusammen mit den anderen Mädchen im Untergeschoss geschlafen. Von dem Leben im Haus war dort nichts zu merken gewesen; es war wie ein großer Keller und roch nach Wurzeln und Urin. Irgendjemand weinte immer, Körper drehten sich von einer Seite auf die andere, grummelten, seufzten, flüsterten den ganzen Tag. Denn das war die Zeit, in der sie schliefen: am Tag. Vollkommene Dunkelheit, flüssigschwarz. Della konnte die Hand vor Augen nicht sehen. Und so würden sie und Jane, wenn sie die Wahl hatten, nie wieder drinnen – im Haus eines Mannes – schlafen.
    Sie suchten sich jeden Abend einen anderen Platz, für gewöhnlich im hohen Gras unter einem Obstbaum, und breiteten dort ihre Decken aus. Eine als Unterlage, eine zum Zudecken. Sie schlangen die Arme umeinander, wie sie es auch in Michaelsons Untergeschoss getan hatten, und schliefen meist sofort ein. Della wachte wohl manchmal auf und sah durch die Äste den mit Sternen übersäten Himmel und drückte Janes Hand, doch Jane atmete schwer weiter, anscheinend in eigenen Tiefen versunken.
    Wir sind noch da, flüsterte Della Jane am Morgen zu, und Jane antwortete dann: Wir sind noch da. Das war ein Spiel von ihnen, ein Ritual; und wie bei vielen ihrer Spiele und Rituale konnte Della sich nicht mehr daran erinnern, wie es angefangen hatte.
     
    In seiner Abwesenheit betraten sie wiederholt die Hütte und waren jedes Mal unweigerlich und unwillkürlich – sie sprachen nicht darüber – von deren heimeliger Wärme berührt. Wenn so ein Haus existierte, warum konnte es nicht ihnen allein gehören? Die Bodenbretter knarrten und sangen unter ihrem Gewicht. Die Fensterscheiben, erst kürzlich geputzt, hatten Schlieren und ließen seifiges Licht herein. Die kiefernen Arbeitsflächen glänzten sauber. Ein schwarzer schmiedeeiserner Ofen stand majestätisch an der hinteren Wand. Der Herd, mit einem Eimer voll Asche darunter, hatte eine Oberfläche aus Stein. Auf der hinteren

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