Im Licht von Apfelbäumen | Roman
Platte war ein angestoßener marineblauer Kessel abgestellt, darüber, im obersten Regal eines türlosen, mit Zeitungspapier ausgelegten Schranks, eine weiße Kaffeekanne neben weiterem Geschirr. Zwischen Herd und Ofen stand ein flacher Korb mit Feuerholz. Gegenüber dem Ofen gab es ein weißes Porzellanwaschbecken und einen Krug Wasser sowie einen verbeulten ovalen Spiegel, der an einem Stück Draht an der Wand befestigt war. Auf einem Blechtablett ein Kamm und eine Dose Pomade. Ein Almanach-Kalender aus dem Jahr 1865 hing neben dem Spiegel. Ein kleiner Walnussholztisch, eher rechteckig als quadratisch, und zwei Stühle vor dem Ofen füllten den Raum zwischen Küche und Wohnzimmer aus. Das Wohnzimmer selbst war mit einem kleinen Rosshaarsofa, einem Rosshaarsessel mit verschlissener, klumpiger Sitzfläche und einem Regal mit alten Almanachen, Zeitungen und Zeitschriften möbliert. Vor dem Sofa lag ein aus rosa, grünen und violetten Stoffresten zusammengeflickter Teppich; und in der gegenüberliegenden Ecke standen ein Schiffskoffer und ein Schaukelstuhl, der so alt und zerbrechlich wirkte, als wäre er aus dem Zimmer selbst emporgesprossen. Hier schien die längste Zeit des Tages die Sonne herein und hatte den Schaukelstuhl, der aus Mahagoni war, restlos entfärbt. Es roch in dem Raum nach Backobst, Bienenwachs, Kiefern und alten Zeitungen.
Auf der Plantage gab es einen Aprikosenbaum, in den man ganz leicht steigen konnte. Nach dem ersten Schritt bot sich ein geschwungener Ast zum Weiterklettern an, und ein Ast darüber wiederum hatte in der Mitte eine kleine Vertiefung, sodass man sich gut festhalten konnte. Sobald eins der Mädchen auf der zweiten Astebene saß, konnte das andere hinterherklettern und sich ein Stück weiter unten hinsetzen. Die Zweige hatten sich der leicht nach hinten geneigten Haltung der Mädchen, der Wölbung ihrer Füße, ihrem merkwürdigen Leibesumfang angepasst. Sie stiegen dort hinauf, bis das Holz unter ihren Handflächen und Fußsohlen weich wurde. Von hier aus konnten sie beobachten, was unten auf dem Feld geschah; und wenn sie noch höher stiegen, was sie schon getan hatten, sahen sie den Mann, wo immer er gerade arbeitete. Sie waren getarnt – oder dachten, sie wären es – und aufgehoben, vor aller Gefahr am Boden sicher.
Es gab eine Art von Hitze und Licht, die ganz direkt war, senkrecht von oben kam und die Plantage ausbleichte. Die Plantage um zwölf Uhr mittags an den heißesten Tagen. Und dann gab es Morgen, an denen die Luft blau und weich war und die Blätter der Bäume wie Samt aussahen.
Manchmal wussten die Mädchen, wo der Mann gerade war, und manchmal nicht. Dann bewegten sie sich langsam und vorsichtig, nicht weil sie glaubten, er würde ihnen etwas antun – nicht im Ernst –, aber es war zu einer Art Spiel geworden. Es konnte passieren, dass sie zwischen zwei Baumreihen eines Obstgartens einbogen und ihn auf sich zukommen oder in der anderen Richtung weggehen sahen, und manchmal sahen sie auch nur seine Beine, seinen Rumpf, von Blättern halb verborgen.
Della, die in der Hitze des Tages einen Moment abgelenkt gewesen war – die Sonne stand hoch und Schweiß rann ihr am Hinterkopf hinunter –, bog einmal um eine Ecke und stieß fast mit ihm zusammen. Sie wich zurück und hielt ganz still, sah nicht zu ihm auf. Sagte ganz leise, bevor sie um ihn herum ging: Tag.
Er war für sie beide keine Bedrohung mehr, aber auch nicht bar aller Bedrohlichkeit – warum hatte er sie bei sich aufgenommen, warum erlaubte er ihnen, auf seinem Land umherzustreifen, ohne etwas von ihnen zu fordern? –, und dies trieb sie mehr um als ihre Neugier auf ihn. Sie interessierten sich zu jener Zeit nicht für die Geschichte oder das Gefühlsleben von Männern, denen sie begegneten. Das war keine Regel, die sie für sich aufgestellt hatten, sondern eher eine Folge ihrer Erfahrung. Wichtig war nur zu wissen – zu spüren, aber auch sich zu erinnern –, ob der Mann vor ihnen in Raserei geraten, sich auf sie stürzen könnte; ob er fähig war zu jäher und unermüdlicher Gewalt. Und doch wanderte Della dieser Tage zu ihrem eigenen Erstaunen zwischen den Baumreihen der Plantage umher, von einem heftigen, wiederkehrenden Verlangen gepackt, das Gesicht dieses Mannes – des Obstgärtners – zu sehen. Es genügte ihr nicht, irgendwo die vorderen Taschen seines Overalls auszumachen, seine Hosenbeine in einem Baum, seine großen, gebräunten Hände links und rechts von seinem
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