Im Licht von Apfelbäumen | Roman
vorkam. Aber sie konnte es nicht einordnen. Es war Nacht, die Fenster waren dunkel. Jane lag auf einem Bett über ihr – Della aus irgendeinem Grund auf einer Matte am Boden –, sie hatte nichts an außer einem Unterhemd, und sie weinte.
Es passiert wieder, dachte Della. Es passiert alles von Neuem.
Und dann kam Caroline Middey ins Zimmer. Es schien, als bewegte sie sich von weit her auf Della zu. Die ältere Frau trat zu ihr, beugte sich über sie und sagte mit einer gedämpften, fernen Stimme: Alles wird gut, Liebes. Das Schlimmste ist fast vorbei …
In der Stadt, auf dem Markt, probierte Talmadge hier ein paar Stachelbeeren, dort ein Stück Brot. Anstatt wie sonst gleich wieder wegzufahren, schlenderte er noch ein wenig an den Ständen entlang. Er kaufte einen Laib Zwiebelbrot, eine Handvoll Anissamen für einen Pudding, den eine Frau ihm empfahl. Er beugte sich über ein Stück Papier, um die Rezepte anderer Frauen aufzuschreiben, von seiner Hand in Piktogramme und Zählstriche übersetzt und für alle anderen außer ihm unentzifferbar.
Kartoffeln, Sirup, Cheddarkäse. Sahne und eine silberne Dose zu ihrer Aufbewahrung.
Als er gegen Abend nach Hause kam, saßen die Mädchen weder am Fuß des Aprikosenbaumes noch im Pflaumengarten, wo sie manchmal im Gras hockten und ihm bei der Arbeit zusahen. Er stand auf der Veranda und erwartete, sie jeden Moment zwischen den Bäumen heraustreten zu sehen. Der Bach rauschte, voll und unbekümmert, in seinen Ohren.
Er wanderte mit einer Laterne zur oberen Hütte, in den Taschen Milchbrötchen und Speck, die er in dünne Baumwolltücher gewickelt hatte. Vielleicht hatte eine von ihnen inzwischen ihr Kind zur Welt gebracht, dachte er, und gleich darauf: Nein. Aus irgendeinem Grund glaubte er, dass er es spüren würde, wenn das geschah. Und noch war die Zeit dafür nicht reif.
Oben angekommen, fand er die Hütte leer vor. Er stand im Eingang und betrachtete die mit Laub gefüllten Säcke; das Laternenlicht zitterte an den feinkörnigen Wänden.
Zwei Tage später, am Nachmittag, trafen die Männer mit den Pferden ein. Talmadge ging hinunter, um mit Clee zu reden, aber Clee war nicht bei ihnen. Er und der Cowboy, ein Cayuse, hätten unterwegs angehalten, sagte ihm ein Mann, um Leuten zu helfen. Einer Kranken. Der Mann zuckte die Schultern.
Talmadge kehrte zur Veranda zurück und wartete.
Clee und der Cowboy kamen bei Einbruch der Dämmerung auf der Plantage an. Talmadge ging sofort hin, um sie zu begrüßen. Clee saß auf seinem Pferd und hielt das jüngere Mädchen, das bewusstlos zu sein schien; auf dem anderen, von dem Cowboy geführten Pferd, saß das ältere Mädchen, hellwach und auf der Hut.
Beim Bach blieben sie stehen. Clee übergab das jüngere Mädchen – dreck- und blutverschmiert, halb bewusstlos – dem Cowboy, der ungewöhnlich klein gewachsen war und mit dem Mädchen auf dem Arm umso winziger wirkte. Die andere wollte sich nicht helfen lassen – sie hob die Arme und zischte, als Talmadge ihr die Hand reichte. Sie versuchte, allein abzusteigen. Als er sah, wie sie sich abmühte und vom Pferd rutschte, streckte er die Arme aus, um sie zu stützen, doch sie drehte sich um, eine Hand am Sattelknopf, und schlug ihm ins Gesicht. Er zuckte zurück, hielt sich die Nase. Clee packte sie und zerrte sie vom Pferd. Sie brüllte vor Angst. Mit der Hand vor dem Mund befahl Talmadge ihm barsch, er solle sie loslassen, und Clee gehorchte. Sie sprang von ihnen weg, wirbelte herum, täuschte rückwärts an. Lief in weitem Abstand von ihnen im Kreis herum. Stieß atemlos irgendeine unverständliche Geschichte aus dem Mundwinkel hervor, die Augen geweitet, als wollte sie weglaufen, doch da war das bewusstlose Mädchen über der Schulter des Cowboys; was sollte sie machen. Talmadge nahm die Hand von der Nase, betrachtete sie und wischte sie sich am Oberschenkel ab. Dann ging er zu dem Cowboy, der ihm das Mädchen übergab. Er hüpfte ein wenig, um ihr Gewicht zu verlagern, und machte sich auf den Weg zur Hütte. Die Männer zögerten, unsicher, ob sie ihm folgen sollten.
Das andere Mädchen bedeckte aufgebracht, bestürzt, das Gesicht mit den Händen. Einen Moment später lief sie los und folgte Talmadge.
Drinnen steuerte er sein Schlafzimmer an, doch das ältere Mädchen protestierte, aus tiefster Kehle heulend, sobald er sein Zimmer betrat, und weigerte sich, ihm zu folgen. Also ging er in das andere Zimmer, in das er schon seit Wochen keinen Fuß mehr
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