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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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Pferd saß und die Männer die Pferde so vorsichtig durch die Landschaft führten, als wären die Mädchen aus Glas. Nicht tot, als der Cowboy sie vom Pferd hob, nicht tot, als Talmadge sie auf die Schultern nahm. Durch all das hindurch war sie lebendig gewesen, auch wenn sie ganz in der Nähe des Todes kauerte oder knapp über ihm schwebte. Vielleicht von ihm zehrte, um am Leben zu bleiben. Es gab solche Menschen, das wusste er: Sie existierten. Dieses Geschöpf war ein einziger hell leuchtender Nerv. Einmal, bevor er sie auf sein Pferd hob, als sie noch im heißen Weizen lag, hatte sie die Augen geöffnet und ihn angesehen. Brennende schwarze Augen: und darin kein anderer Wahnsinn als der, überleben zu wollen. Der blanke animalische Wille, gepaart mit menschlicher Sehnsucht. Dieses Geschöpf war zu leidenschaftlich, um zu sterben. Das Mädchen wird in dem Zimmer nicht sterben, hätte er Talmadge gern mitgeteilt. Das hatte er in ihren Augen gelesen, im Rätsel ihres Gesichtes. Allerdings, dachte er reumütig – und er nahm die Pfeife aus dem Mund und klopfte mit ihrem Boden sanft auf seine Handfläche –, hatte er, seiner Intuition folgend, schon manchmal etwas gemutmaßt und damit danebengelegen. Und beim Gedanken an diese Kränkungen, diese Verfehlungen, entstand plötzlich eine Kampfansage zwischen ihm und der Atmosphäre, obwohl er die Vergeblichkeit einer solchen Kampfansage spürte: Das Mädchen würde heute Nacht sterben oder nicht. Sollte die Nacht ihre Arbeit tun: Er forderte sie dazu heraus, sich das Mädchen zu nehmen.
    Wenn sie doch endlich kommen würde, sagte Talmadge, als hätte er vergessen, dass er das schon einmal gesagt hatte. Und Clee wollte ihm antworten: Es ist egal, wann die Frau kommt. Die Nacht hat sich schon entschieden. Wir sind es, die zu langsam sind, die den Ereignissen hinterherlaufen, wenn sie längst entschieden sind, wir, die wir uns weigern oder zu schwach oder zu schlicht sind oder vielleicht einfach
unfähig,
zu verstehen …
     
    Caroline Middey traf nach Mitternacht ein. Talmadge stand am Rand der Weide und hob die Laterne in seiner Hand an, um nach den Pferden Ausschau zu halten, die er schon Minuten vorher kommen spürte. Das Pferd des Cowboys tauchte als Erstes aus der Dunkelheit auf – zunächst die Ahnung einer Gestalt, dann eine Gestalt –, und dahinter folgte ein zweites. Auf diesem Pferd saß Caroline Middey. Sie trug einen großen Strohhut und war in eine Decke gewickelt, sodass sie wie eine Puppe aussah. Ihr Gesichtsausdruck war streng, und Talmadge, der ihr vom Pferd half, dachte schon, sie sei böse; doch als sie fest mit beiden Beinen auf dem Boden stand, im Licht der Laterne bedrohlich groß und scharf konturiert, nahm sie die Decke von ihren Schultern und gab sie ihm, löste die Schleife unter ihrem Kinn, setzte den Hut ab und grinste. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt so einen Ritt unternommen habe, sagte sie. Dann drehte sie sich um und schnallte ihre Tasche vom Sattel. Als sie sich wieder zu ihm umwandte, war sie ernst.
    Wo sind sie?
    Drinnen.
    Auf dem Weg zur Hütte sprangen Schatten vor ihnen hin und her. Unten auf dem Feld hatten die Männer mehrere Feuer angezündet. Die Pferde waren bis zum Wald verstreut und bewegten sich im Mondlicht hierhin und dorthin.
    Caroline Middey nahm all das in sich auf.
    Ein junger Mann wartete auf den Verandastufen, nahm Caroline Middeys Pferd und führte es zur Scheune.
    Talmadge zögerte.
    Was ist?, fragte Caroline Middey.
    Ich sollte besser draußen bleiben.
    Und warum das?
    Er zögerte erneut. Sie mögen mich nicht.
    Caroline Middey schnaubte. Sie sah ihn jetzt an. Einen Moment dachte er, sie würde mit ihm streiten, doch das tat sie nicht.
    Ich werde dich brauchen, sagte sie. Du kannst hier draußen bleiben, wenn du willst, aber geh nicht zu weit weg. Sie schien noch etwas sagen zu wollen, ließ es dann aber und musterte ihn nur noch einmal kurz, bevor sie hineinging.
    Er setzte sich auf den Birkenholzsessel und beugte sich vor, die Ellbogen auf den Knien. Sein Magen war leer und ein wenig verkrampft. Er hatte Kopfschmerzen. Er wusste nicht mehr, wann er zuletzt etwas gegessen hatte.
    Als Caroline Middey wenig später wieder herauskam, stand er auf. Wie viel Zeit war vergangen? Vielleicht nur ein paar Minuten, vielleicht auch eine Stunde. Es dauerte einen Moment, bis sie ihn richtig wahrnahm.
    Du hast mir nicht gesagt, dass sie beide Wehen haben.
    Er erschrak.
    Ich wusste nicht, dass es etwas mit den Wehen zu

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