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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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Schulter –, kroch nacheinander auf die beiden Äste und hieb auf die Seile ein, an denen die Mädchen hingen. Della fiel zuerst, und Talmadge, der sich unter sie gestellt hatte, fing sie halb auf. Unter der Wucht ihres Aufpralls knickte er ein und stürzte zu Boden. Die Sonne in seinen Augen. Della schnappte nach Luft und würgte, klammerte sich an seine Hemdbrust. Ist gut, sagte er und hielt sie fest. Ist ja gut.
    Jane war weiter oben im Baum. Als sie fiel, hielt Michaelson die Arme auf, doch im letzten Moment schreckte er zurück und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Jane fiel ihm direkt vor die Füße.
    Talmadge übergab Della in die Obhut der Feldarbeiter und ging zu Jane. Kniete sich neben sie. Der mit dem bösen Gesicht hatte sich die ganze Zeit nicht von der Stelle gerührt, sondern beobachtete die Szene wie aus großer Distanz. Michaelson lugte durch die Finger. Talmadge beugte sich schwer atmend über Janes Körper. Er hielt sein Ohr an ihren Mund und lauschte. Wartete auf ihren Atem. Es kam keiner, nicht das leiseste Wispern. Er wartete trotzdem noch länger. Schließlich richtete er sich auf und packte sie an den Schultern. Er dachte an die Hitze und Feuchtigkeit des Entbindungszimmers. Das grelle Lampenlicht an den Wänden. Ihren Kampf, jenes Etwas zur Welt zu bringen, das in ihr gewachsen war. Ihren Schmerz. Wie sie nach seinen Armen gegriffen hatte, aus schierer Notwendigkeit: weil sie leben wollte. In dem Moment hatte sie seine Hilfe angenommen. Doch selbst diese Situation war unfair gewesen, denn sie hatte keine Wahl gehabt.
    Eins ihrer Beine war unnatürlich zur Seite abgewinkelt, und er streckte es aus. Michaelson kam jetzt weinend näher.
    Talmadge stand auf.
    Jane!, rief Della schwach und heiser. Sie saß an einen Baum gelehnt auf dem Boden.
    Der mit dem bösen Gesicht sah sie an, als erkannte er sie nicht wieder. Mit berechnender Miene.
    Das reicht, sagte Talmadge, obwohl niemand gesprochen hatte. Dann schroff: Sind Sie hier fertig?
    Mit großer Anstrengung nahm Michaelson die Hände vom Gesicht.
    Talmadge bemerkte ihn erst, als er schon fast bei ihm war.
    Wieder hatte Talmadge eine Sense in der Hand. Er musste danach gegriffen haben, und irgendwer hatte sie ihm gereicht. Michaelson streckte einen Arm aus. Sein Gesicht gespenstisch weiß. Della, die sich inzwischen hochgestemmt hatte und matt am Baum lehnte, riss die Augen auf und sah aus, als ob sie schrie.
    Talmadge hob die Sense.
    Der mit dem bösen Gesicht ging auf Michaelson zu und verpasste ihm einen Kinnhaken. Michaelson schwankte; der Mann schlug noch ein zweites Mal zu. Michaelson krümmte sich, hielt sich die Wange. Blieb stumm.
    Der andere drückte schwer atmend die Faust an sein Herz, als wiegte er sie, und schaute in die Bäume. Er schien nachzudenken, zu blinzeln; dann taxierte er Talmadge. Seine Stimme zitterte:
    Vorhin war von Entschädigung die Rede.
    Talmadges Herz schlug jetzt schnell, vor Verwirrung, aber auch vor Erleichterung. Wenn von Geld die Rede war, dann auch von einer Lösung; davon, dass die Männer verschwinden würden. Er ließ die Sense sinken.
    Ja, sagte er.
    Der Mann nickte. Und für die – er sah kurz zu Della – nehmen wir auch Geld. Falls Sie an ihr interessiert sind. Wieder schaute er in die Bäume. Er seufzte tief. Ich könnte sie sicher auch mit zurücknehmen, zu irgendwas wird sie schon gut sein … allerdings glaube ich, ehrlich gesagt, nicht, dass er sie noch haben will. Jetzt nicht mehr. Aber die Kinder, fuhr er nach einer Weile mit lauterer Stimme fort, die nehme ich Ihnen ab, oder Sie zahlen für sie, wie Sie wollen. Wie viele sind es? Wo sind sie? Egal. Er schüttelte den Kopf. Ich hab mal gehört, diese hier hätte vielleicht zwei im Bauch gehabt …
    Talmadge fing gar nicht erst an zu diskutieren. Es schien ihm zwecklos. Erschöpft stützte er sich auf das Sensenblatt.
    Kommen Sie mit zum Haus. Da habe ich etwas Geld.
    In einer Gruppe gingen sie zur Hütte zurück: Talmadge mit der Sense, Michaelson stumm und gramgebeugt, die Hände vor dem Gesicht, Della humpelnd, die Feldarbeiter in einem losen Kreis um sie herum. Janes Leichnam war auf den Rücken eines Pferdes geschnallt. Alle – einschließlich der Feldarbeiter – warteten vor dem Haus, während Talmadge hineinging, um das Geld zu holen. Als er zurückkam, stand der Mann mit dem bösen Gesicht am Fuß der Verandatreppe, und Talmadge zupfte die Scheine aus einer großen Rolle. Er zahlte für sie alle: Jane, den Säugling,

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