Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
Vom Netzwerk:
Er holte eine Zigarette aus der Tasche, zündete sie an. Rauchte. Nach einer Weile kam er zu Talmadge und stellte sich neben ihn. Beobachtete den Canyoneingang.
    Die Schwester, murmelte er. Wahrscheinlich ist sie die holen gegangen. Von mir aus könnte die auch hierbleiben. Aber Jane …
    Talmadge blickte unverwandt auf den Canyoneingang.
    Jane wird das nicht zulassen. Der Mann räusperte sich, nahm kurz darauf noch eine Zigarette aus der Tasche.
    Michaelson trat neben ihn, einen unterwürfigen, hündischen Ausdruck im Gesicht, fragend. Talmadge wunderte sich fast, dass er nicht winselte.
    Warten, sagte der andere zu Michaelson. Ich würde sagen, wir warten, oder? Dann, mit leiserer Stimme, sodass nur Talmadge ihn hören konnte: Man geht mit so was besser friedlich um. Ruhig. Ohne Rabatz. Geht nicht gut, wenn’s Rabatz gibt. Die Leute sagen, das sind doch bloß Mädchen, wie schwer kann es sein, ein paar Mädchen einzufangen? Er lächelte matt. Aber die haben nicht das Vergnügen gehabt, in unserer Lage zu sein …
    Nach kurzem Schweigen wandte der Mann sich erneut an Talmadge, als wäre ihm gerade etwas eingefallen.
    Und die Kinder? Sind sie …
    Talmadge wandte den Blick nicht vom Feld.
    Aha. Der Mann schwieg einen Moment. Lachte dann und fing an, etwas zu sagen.
    Gibt keine Kinder, unterbrach ihn Talmadge.
    Was?
    Es gibt keine Kinder, hab ich gesagt …
    Der Mann grinste. Oh, das bezweifle ich sehr. Ich bezweifle, dass die Kinder gestorben sind. Er hielt inne. Wir werden’s ja bald sehen. Ein Baby kann man schlecht auf Dauer verstecken, stimmt’s?
    Talmadge schaute weiter zum Canyon. Es war über zehn Minuten her, dass das Mädchen im Eingang verschwunden war. Vielleicht flüchteten sie ja, dachte er. Und als könnte er seine Gedanken lesen, sagte der andere: Sollen wir? Er schnippte die Zigarette weg. Kommen Sie mit?, fragte er Talmadge. Oder gehen wir allein?
    Sie überquerten den Bach und betraten das Feld. Michaelson winkte wie wild den Arbeitern zu – ob zum Gruß oder zur Warnung, war unklar. Die Männer sahen einer nach dem anderen zu ihnen her, doch Talmadge wusste in seiner wachsenden Angst nicht, was für ein Gesicht er aufsetzen sollte. Es waren vier: starke, fähige Männer, wenn auch nicht alle jung; dunkelhäutig und ölig vor Schweiß, bis zur Taille nackt. Er begegnete dem Blick des einen, Clees Vetter – er war jung, Talmadge schätzte ihn auf Mitte zwanzig –, der ihn anstarrte. Einen Moment lang sah Talmadge nichts als seine Augen. Der Mann hielt nicht in seiner Arbeit inne; doch dann senkte er den Blick, und Talmadge schaute wieder zum Canyon, der drohend näher rückte. Er wollte seine Schritte und die der Männer zwingen, langsamer und schwerer zu werden. Er wollte die Füße der Mädchen zum Fliegen zwingen, wollte, dass sie durch die Luft schwebten.
    Sobald sie den Canyon betreten hatten, hüpfte Michaelson voraus wie ein verrücktes Kind.
    Wie weit reicht das hier alles?, fragte der mit dem bösen Gesicht und wies mit dem Kopf auf die Bäume. Und eine Minute später: Sie haben ja ein richtiges Imperium …
    Vor ihnen ertönte ein Schmerzensschrei – ein Geräusch zwischen Heulen und Stöhnen. Es war Michaelson.
    Talmadges Herz hämmerte, als wäre es ein übergroßer Vogel, der seinem Käfig zu entkommen versucht. Sie bogen um die Ecke. Michaelson stand neben einer gewaltigen Eiche, den Kopf in den Nacken gelegt, den Mund weit geöffnet. In dem Baum hingen zwei Körper. Einer – Janes – war reglos; aber Della tanzte in der Luft, sie strampelte mit den Füßen, die Hände am Hals. Talmadges eigener Körper wurde augenblicklich leer, und zugleich war ihm, als schwebte er zu ihnen hin.
    Herr im Himmel, sagte der Mann neben Talmadge. Er wandte sich an den Rothaarigen: Worauf wartest du denn, schneid sie runter!
    Doch der stand hilflos vor der Eiche und schaute auf die Körper. Michaelson trat von einem Fuß auf den anderen und rief den Mädchen etwas zu.
    Wie soll ich …? Der rothaarige Mann hatte eine sanfte Stimme. Er zeigte auf den Baum.
    Auch sein Kumpan fand keine Möglichkeit, am Stamm hochzuklettern, keinen Halt. Er blickte hinauf.
    Jane!, rief er. Verdammt noch mal! Jane!
    Talmadge spürte plötzlich eine Sense in seiner Hand. Ein Mann tauchte neben ihm auf, Clees Vetter. Er sagte etwas zu Talmadge, doch Talmadge verstand ihn nicht. Der andere nahm die Sense wieder an sich und kletterte am Baum hoch – er schob sich ächzend am Stamm hinauf, die Sense über der

Weitere Kostenlose Bücher