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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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eine sonderbare, begrenzte, auf seine Brust gerichtete Aufmerksamkeit. Talmadge fasste sich an den Hut, um ihn abzunehmen, überlegte es sich anders und zog ihn nur tiefer in die Stirn. Rückte ihn im letzten Moment so zurecht, dass er gut sehen konnte.
    Alle drei hatten Gewehre in ihren Satteltaschen. Der Mann zu Michaelsons Rechten war rothaarig und wirkte schläfrig; der andere war schlank und hatte ein böses Gesicht, mit tiefen Falten um Augen und Mund. Er schaute zur Hütte, als Michaelson abstieg. Dann fixierte er Talmadge mit einem langen, unergründlichen Blick und sah weg.
    Michaelson kniff die Augen zusammen, ganz kurz, und da begriff Talmadge, dass er nicht wusste, wer Talmadge war, sich nicht an ihn erinnerte. Talmadge fand das ganz erstaunlich. Es gab einen kurzen Moment, in dem Michaelson die Möglichkeit, dass sie sich kannten, in Betracht zu ziehen schien, doch er verwarf sie schnell wieder.
    Wo sind meine Mädchen?, fragte er. Seine Stimme bebte vor kaum kontrollierter Wut. Die in der Stadt sagen, Sie haben meine Mädchen.
    Talmadge hätte sich gern umgedreht und einen Blick über das Feld zum Canyon geworfen, zum Apfelgarten, wo die Mädchen einige Zeit vorher mit dem Baby hingegangen waren. Er betete, dass sie ein Spiel gefunden hatten, mit dem sie lange genug beschäftigt wären, so lange, wie es dauerte, die Männer wieder loszuwerden.
    Michaelson starrte ihn noch immer an. Wozu war er, Michaelson, fähig? Talmadges Blick fiel wieder auf das in der Satteltasche steckende Gewehr.
    Wo sind Ihre Manieren?, sagte der mit dem bösen Gesicht auf einmal zu Talmadge. Haben Sie keinen Kaffee? Lass uns mal Pause machen, Boss, sagte er zu Michaelson. Ich hab Durst.
    Von mir aus geh zum Bach und leg dich da rein, sagte Michaelson und spuckte theatralisch aus. Ich bin nicht hier, um mich bewirten zu lassen. Dann sah er mit seinen blutunterlaufenen Augen wieder Talmadge an, starr und allem Anschein nach zum Äußersten entschlossen. Wo sind meine Mädchen?, wiederholte er.
    Michaelson, der an jenem Tag am Okanogan so schwerfällig, entkräftet und abwesend gewirkt hatte, schien jetzt voll nervöser Energie. Wie ein alter Jugendlicher, musste Talmadge plötzlich denken. Dieser fiebrige Blick, und wie er andauernd von einem Fuß auf den anderen trat. Dieser Eifer und diese Unruhe.
    Talmadge nahm den Hut ab und ging auf die Hütte zu. Er hörte, wie die Männer ihm folgten: Michaelson zu Fuß, die anderen beiden noch zu Pferd. Als Talmadge die Hütte betrat, hörte er am Knarren der Sättel, dass sie abstiegen. Immerhin folgten die Männer ihm nicht in die Hütte. Er schaute in das Zimmer der Mädchen. Ein Paar kleine Stiefel neben dem Bett. Er setzte Wasser auf. Dann ging er in sein Schlafzimmer, öffnete die Schranktür und holte sein Gewehr heraus, das dort in der Ecke lehnte.
    Das ist keine gute Idee, sagte der mit dem bösen Gesicht, der nun doch hereingekommen war und im Türrahmen stand. Talmadge zögerte kurz und stellte das Gewehr wieder in den Schrank. Der Mann trat dicht hinter ihn, prüfte, ob das Gewehr auch nicht geladen war, und schloss die Schranktür.
    Talmadge ging ins vordere Zimmer, stellte sich an den Herd und wartete darauf, dass das Wasser kochte. Hilflos. Jedes Geräusch war übertrieben laut: das Ticken des Wassers im Kessel, die Männerstiefel auf dem Holzboden. Der Rothaarige war jetzt ebenfalls hereingekommen und las die Buchrücken der Almanache im Regal. Der andere beugte leicht die Knie und betrachtete sich in dem an der Wand hängenden Spiegel. Nahm die Dose Pomade, öffnete sie, schnupperte daran. Verzog das Gesicht. Stellte sich neben Talmadge und haute ihm auf die Schulter. Ich hab den Kaffee gern stark, sagte er. Der Rothaarige ging in das Zimmer der Mädchen und kam eine Minute später wieder heraus. Hielt ein Paar Unterhosen hoch. Talmadge spürte, wie alles Gefühl aus seinem Körper wich. Er hörte den Mann draußen zu Michaelson sagen: Die sind da nicht drin. Dafür aber ihr Zeug. Und dann schrilles, hysterisches Gelächter.
    Talmadge brühte den Kaffee auf und brachte die Becher auf die Veranda.
    Hier. Es war schwer, seine Stimme nicht bitter klingen zu lassen.
    Michaelsons Begleiter nahmen sich beide einen Becher, der Rothaarige dankte Talmadge. Michaelson selbst blieb auf dem Rasen stehen und schaute über das Feld. Dort arbeiteten die Männer, die Talmadge angeheuert hatte, den Rest Gras zu mähen. Es waren vier von den Cowboys; die anderen waren schon

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