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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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Männer, über ihre Geschwätzigkeit zunächst erstaunt, gewöhnten sich bald daran und hatten ihren Spaß. Manchmal, wenn sie sehr tief ins Glas geschaut hatte, stellte ihr einer der Männer, der ihren Betrunkenheitsgrad gut einschätzen konnte, eine Frage. Sie ignorierte sie, weil es eine dumme Frage war, aber dann, eine Stunde später vielleicht, antwortete sie doch, und die anderen, die Della keineswegs ignorierten, stutzten; lachend wiederholte der Mann dann, was er hatte wissen wollen, und alle glucksten. An dem Abend, als Della begriff, dass dies für die Männer eine Quelle der Belustigung war, wurde sie wütend, warf ihre Karten hin, stand auf und spuckte auf den Tisch. Es war eine Abfolge linkischer Gesten, und manche Männer beachteten sie gar nicht, doch ein paar sahen sie verblüfft an. He!, sagte einer und runzelte die Stirn. Setz dich wieder hin, kleiner Mann – so wurde sie von einigen genannt, kleiner Mann –, kein Grund, sich so aufzuregen! Doch ihr Herz schlug lärmend, und sie begriff, dass sie sich trotz der Tiefe von Zeit und Raum, die der Alkohol ihr eröffnete, in diesem Moment etwas anderes wünschte, das ihr Klarheit, Gerechtigkeit und Ruhe verschaffen würde. Der Mann neben ihr trank aus einer Flasche, und als er sie gerade ansetzen wollte, nahm sie sie ihm aus der Hand, packte sie am Hals – die Männer starrten sie an – und ließ sie auf den Tisch krachen. Der Lärm war unglaublich, ganz anders, als sie es erwartet hatte. Sie lachte. Die Männer waren sofort auf den Beinen, manche mit einem Ausdruck animalischer Angst im Gesicht. Sie verstand das Gewirr von Beschimpfungen und Forderungen nicht, die wie Netze über sie geworfen wurden, sondern schwenkte nur die Flasche in der Luft hin und her. Als ein Mann vorstürzte und sie ihr zu entreißen versuchte, wandte sie sich ihm jäh zu. Er breitete die Arme aus. Im Nu, fast ohne es zu wollen, schnitt sie ihm ins Gesicht. Sie hatte seine Haut zu dicht vor sich gesehen und Angst und Ekel empfunden. Tatsächlich hatte sie ihn am Hals erwischt. Er schlug die Hände über die Wunde, nahm sie wieder weg, lachte kurz. Setzte sich abrupt auf einen Stuhl. Jetzt wurde die Aufregung noch größer, und die Männer, die sich ihr näherten, hielten die Hände hoch, um ihr zu zeigen, dass sie unbewaffnet waren; doch trotz aller Betrunkenheit war ihr klar, dass sie sie umbringen würden. Sie rannte aus der Kantine, und erst auf halbem Weg zu ihrem Zelt merkte sie, dass sie die Flasche nicht mehr in der Hand hielt. Sie lief weiter, in den Wald hinein, konnte kaum etwas erkennen. Sie wusste nicht, ob ihr jemand folgte, hörte niemanden, doch als sie fast bei ihrem Zelt angekommen war, begriff sie, dass sie keine Chance mehr hatte, ihre Sachen einzupacken; sie musste weiterlaufen, so weit wie möglich, bevor sie am nächsten Morgen nach ihr suchen würden. Würden sie nach ihr suchen? Das hing davon ab, wie schwer sie den Mann verletzt hatte. Sie hatte ihn gar nicht verletzen wollen – oder doch? –, sie erinnerte sich kaum noch daran. Hatte sie ihn in den Arm geschnitten, in die Wange? Oder war es tatsächlich der Hals? Sie rannte kreuz und quer durch den Wald.

    Im Spätherbst kam der Cowboy allein zur Plantage, ohne die Pferde, zu einer für ihn unüblichen Zeit, und berichtete Talmadge, eine junge Frau, bei der es sich angeblich um Della handele, sei in Idaho bei einer Pferde-Massenpanik verletzt worden. Er selbst habe das Mädchen nicht gesehen, aber andere hätten gesagt, dass sie es sei. Clee habe sich schon auf den Weg zu dem kleinen Krankenhaus außerhalb von Coeur d’Alene gemacht, in dem das Mädchen liege.
    Talmadge fing sofort an zu planen. Angelene würde bei Caroline Middey wohnen. Nein, sagte Angelene, ich möchte mitkommen. Er diskutierte nicht mit ihr, dafür war er zu verwirrt. Ist gut, sagte er.
    Angelene war zuerst nicht ganz klar, warum sie mitfahren wollte. Sie hatte nicht das Bedürfnis, die Frau, an die sie sich kaum erinnerte, übel zugerichtet in irgendeinem Landkrankenhaus liegen zu sehen. Aber sie hatte Talmadges Gesichtsausdruck wahrgenommen, als der Cowboy ihm die Nachricht überbrachte, und spürte, dass sie ihn begleiten musste. Um ihn zu trösten, wenn nötig; ihn zu beschützen.
    Sie fuhren mit dem Zug nach Spokane und nahmen von dort aus Pferde. Der Cowboy begleitete sie. Als sie im Krankenhaus ankamen, warteten der Cowboy und Angelene in der Eingangshalle, während Talmadge zu dem Mädchen ins Zimmer ging. Nach

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