Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
Mann bist, du miese kleine parfümierte Stadtratte!«
»Halime nennst du sie?« Tarukan hob interessiert die Brauen. »Das wird wohl kaum ihr richtiger Name sein, nehme ich an, aber er ist wahrscheinlich so gut wie jeder andere. Einen Zweikampf ihretwegen hatte ich eigentlich nicht im Sinn. Welchen Vorteil hätte ich davon? Ich bin ja nicht einmal derjenige, der Streit mit dir sucht. Im Gegenteil, ich habe alles getan, um bei den Buschläufern keine schlafenden Hunde zu wecken. Ich habe meine Männer, als sie nach dem Kind gesucht haben, ausdrücklich angewiesen, sich zurückzuhalten und kein Blut bei den Stämmen zu vergießen.
Trotzdem bist du jetzt hier wie ein gereizter Eber. Ich bin, ehrlich gesagt, enttäuscht und ein wenig wütend, dass meine Diplomatie so wenig gewürdigt wird. Zwei meiner Männer hast du im Steinland erschlagen, obwohl sie meinem Befehl gehorcht und dich verschont haben. Hätte nicht mein Krieger, der mir das Mädchen brachte und der seine Kameraden dabei verlor, ein größeres Anrecht darauf, Rache an dir zu nehmen?«
» Jaaa .« Gontas grinste wild. »Schick ihn nur her, den Burschen. Dann soll er für dich kämpfen.«
»Kämpfen?« Tarukan tupfte die Fingerspitzen seiner Handschuhe gegen seine Lippen. »Du hattest deinen Kampf, in den Hügeln, und du hast verloren. Jetzt bist du nur noch ein Gefangener, und ich werde nach meinem Gutdünken mit dir verfahren.« Er wandte sich an seine Männer. »Bringt das Mädchen her.«
»Was hast du mit Halime vor?«
Tarukan wandte sich wieder seinem Gefangenen zu. »Hm, Halime, ja. Recht wenig. Sie ist wertvoll. Sie ist mein Schlüssel. Ich werde nichts tun, was sie beschädigen könnte.
Aber was dich angeht, mein Freund, da habe ich keinen Grund mehr, mich zurückzuhalten. Wir sind weit weg von deiner Heimat und von deinem Stamm, und du bist auf eigene Faust hier. Außerdem darf man nicht vergessen, dass du meinen Bruder ermordet hast. Was für einen Grund hätte ich, dich am Leben zu lassen?«
»Ja, was für einen?« Gontas zerrte wieder an seinen Fesseln. »Dann bring mich doch um, du feige kleine Ratte, und schwatz nicht stundenlang. Worauf wartest du? Oder willst du das Kind dabei zusehen lassen, du …«
Tarukan winkte. Einer der Söldner schlug Gontas die Faust ins Gesicht und brachte ihn zum Verstummen. Blut rann Gontas über die Lippe.
»Worauf ich warte?« Tarukan trat auf Gontas zu. »Nun, man sollte niemals zulassen, dass die Rache dem Geschäft im Weg steht, nicht wahr? Nachdem du mir so freimütig bestätigt hast, dass du um des Kindes willen hier bist, will ich überprüfen, ob diese Zuneigung auf Gegenseitigkeit beruht. Was würde dieses Kind wohl für dich tun?«
Er beugte sich ganz nah zu Gontas und flüsterte ihm zu: »Sie ist ein wenig störrisch, unsere Kleine. Ich hoffe also, dass deine vertraute Gegenwart das Eis brechen kann und für eine bessere Verständigung sorgt.«
Gontas knurrte, er spie und schnappte mit den Zähnen nach Tarukan. Doch der wich behände aus und trat ein Stück zurück.
»Was für ein Mann bist du«, stieß Gontas hervor, »dass du die Rache für deinen Bruder zu einem Geschäft machst? Ein Krieger? Pah! Einen ehrlosen Münzwäger nenn ich dich!«
»Nur Geduld, mein wilder Freund«, antwortete Tarukan. »Für die Ehre meiner Familie sorge ich zu gegebener Zeit. Ah, da ist sie ja!«
Gontas hob den Kopf. Zwischen den Zelten trat eine kahl geschorene Kriegerin hervor, mit hohlen Wangen und einem so unförmigen Oberkörper unter dem Panzer, dass Gontas nicht unterscheiden konnte, ob das lauter Muskeln waren oder ob sie zu den schmalen Hüften unpassend große Brüste hatte. An ihrer Hand ging ein kleines dunkeläugiges Mädchen mit verschleiertem Blick. Halime! Vor Tarukan blieben die beiden stehen.
»Ei, Kleines.« Der Söldnerführer beugte sich zu dem Kind hinab. »Du hast Besuch bekommen. Kennst du den Onkel dort?«
Er zeigte auf Gontas. Halime zeigte keine Regung. Es war, als schaute sie durch Tarukan hindurch. Ihre Augen bewegten sich, als würde sie etwas sehen, was allen anderen verborgen blieb.
»Schade«, stellte Tarukan fest. »Ich glaube, der Onkel hätte es gern, wenn du dich an ihn erinnerst. Du könntest uns alle in das Haus auf dem Berg bringen. Dann müsste dein großer Freund nicht länger an diesem Gerüst hängen. Es liegt nur an dir.«
»Du musst gar nichts tun für diesen Dunghaufen«, brüllte Gontas. »Ich ertrage gern, was er mit mir anstellt, solange ich nur weiß,
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