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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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Waffengurt. Er musste über vierzig sein, schätzte Gontas. Die tiefe Narbe, die unterhalb der Augenklappe weiterverlief und quer über die Wange in das Gewirr von älteren Linien schnitt, bevor sie zwischen den Bartstoppeln verschwand, bestätigte den Eindruck.
    Das war kein Dieb, entschied Gontas, sondern ein Krieger wie er.
    Das Haar, das dem Fremden an den Seiten bis zur Wange fiel, mochte einmal schwarz gewesen sein. Jetzt zeigten sich graue Strähnen darin, die zu den Spitzen hin heller wurden, und auch das verbliebene Auge glitzerte grau unter den buschigen Brauen. Das war ungewöhnlich südlich des Steinlands.
    Der Blick des Fremden war nicht beiläufig, sondern durchdringend – der Blick eines Jägers, der seine Beute beobachtet. Gontas lockerte seine Arme und setzte bewusster einen Fuß vor den anderen. Er bereitete sich auf einen Angriff vor.
    Was wollte der Fremde von ihm? Gontas forschte in seinem Gedächtnis, ob er den Mann kannte. Er überlegte kurz, ob es einer von Halimes Entführern war. Aber die hatten alle ähnliche schwarze Rüstungen getragen, während die des Fremden von eher lichtem Braun war.
    Der Krieger macht die Waffe, nicht die Waffe den Krieger.
    Gontas schärfte sich diese Weisheit ein. Doch er hatte überhaupt nichts mehr, was sich zur Waffe machen ließ.
    Bald war er auf Höhe der Gasse, an deren Einmündung der Fremde stand. Dann war er vorbei, und nichts war geschehen. Gontas spitzte die Ohren und lauschte auf ein Knarren der Rüstung, das ihm verraten hätte, ob der Mann hinter ihm herkam.
    Stattdessen schnitt ein leiser Pfiff ihm in die Ohren.
    Gontas fuhr herum. Hatte der Mann mit diesem Pfiff seine Kameraden alarmiert?
    Der Einäugige stand immer noch an der Einmündung. Er betrachtete Gontas, ganz so, als hätte der nach ihm gepfiffen.
    »Was?«, fuhr Gontas ihn an.
    »Du suchst ein Mädchen?«
    Gontas stutzte. »Bist du ein Mädchenhändler, he?«
    »Ein kleines Mädchen!«, sagte der Fremde.
    Gontas spannte sich an. Er hatte in der Stadt nach Halime fragen wollen, aber bisher hatte er mit niemandem darüber gesprochen. Woher also wusste dieser Mann …?
    »Nicht hier«, sagte der Einäugige. Mit raschem Schritt verschwand er hinter der Ecke und in der Seitengasse.
    Gontas wollte hinter ihm herstürmen, doch dann besann er sich anders. Das roch nach einer Falle. Aber wer war dieser Mann, und warum sollte er ihm, Gontas, auflauern wollen?
    Egal.
    Gontas hatte Fragen, und dieser Fremde konnte ihm vielleicht Antworten geben. Er nahm den Riemen seiner Tasche locker in die Hand und trat in die Seitengasse. Von dem Einäugigen war nichts zu sehen.
    Gontas folgte dem schmalen Weg zwischen den Häusern. Es gab keinen Abzweig, also musste der Mann noch vor ihm sein. Allerdings gab es Hauseingänge, Nischen und Biegungen, und Gontas konnte zwischen alldem Mauerwerk immer nur wenige Schritte vor sich klar überblicken. Balken mit eingeschnittenen Tritten führten zu den flachen Dächern hinauf – so viele Verstecke, wo ein Feind auf ihn lauern mochte.
    Dann bog Gontas um eine Ecke, und der Einäugige stand da, ein Stück entfernt an die Wand gelehnt, und grinste. »Ich hatte gehofft, dass du hinter mir herkommst.«
    Gontas ging auf ihn zu. Die Tasche ließ er zu Boden gleiten. Er öffnete und schloss die kräftigen Finger. »Du solltest vorsichtig sein mit deinen Hoffnungen. Was weißt du über das Mädchen?«
    »Hoho!« Der Einäugige hob die Hände. »Warum so grimmig? Ich wollte nur mit dir reden. Ein Austausch von Informationen.«
    Gontas blieb vor dem Mann stehen. »Was weißt du?«
    »Über das Mädchen? Nichts. Ich weiß nur, dass ein paar Kerle nach ’nem kräftigen Buschläufer Ausschau halten, der nach ’ner kleinen Musche sucht. Sie haben ein Kopfgeld ausgesetzt. Die Beschreibung passt auf dich. Ich dachte mir, das sollte dich so weit interessieren, dass wir ins Geschäft kommen.«
    »Geschäft?«
    »Nur Geduld. Wenn wir länger plaudern, solltest du dir vorher was überziehen.« Er tippte Gontas mit einem Finger gegen die Brust, und der wich knurrend zurück. »Viel zu kurze Lederbuxe, nackter Oberkörper und ein offener Mantel, damit schreist du’s förmlich in die Stadt hinaus: ›Buschläufer, frisch eingetroffen!‹ Bei dem Gold, das für deinen Kopf geboten wird, solltest du nicht so auffallen.«
    »Obwohl«, sagte eine Stimme hinter Gontas, »du schon ’ne Menge zum Anschaun bietest.«
    Gontas fuhr herum und machte zugleich einen Satz von dem Einäugigen weg. Er

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