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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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einem Kind gefragt hatte. Genau genommen sah man auch einem Kopf nicht mehr an, ob er gerade erst aus der Steppe kam oder bei seinem Tod in einem Gardehelm gesteckt hatte.
    Mart ging davon aus, dass Tarukans Sekretär bald jede Menge tote Buschläufer zu sehen kriegen würde, und Gauner, die die Belohnung einforderten. Er fragte sich, wie lange dieses schwachsinnige Angebot wohl gültig bliebe.
    »Wie sieht es mit ’nem Vorschuss aus?«, fragte er.
    Arri schüttelte den Kopf.
    »Wir haben Aufwand, wenn wir nach ihm suchen sollen«, beharrte Mart.
    »Kein Aufwand«, sagte Arri. »Ihr sollt nur nebenbei die Augen offen halten. Wir wissen ja gar nicht, wo der Kerl überhaupt auftaucht. Das ist ein ungezielter Pfeilregen. Wir verbreiten die Nachricht im ganzen Land, und wer ihn zuerst sieht, hat Glück. Müssten wir allen, die suchen, einen Vorschuss zahlen, wär die Kasse bald leer.«
    Mart knurrte unwillig.
    Arri beugte sich vor. »Sieh es einfach wie eine Lotterie an«, sagte er. »Nur einer gewinnt – aber der trägt ordentlich was nach Hause.«
    »Ich weiß nicht, sagte Mart. »Glücksspiel ist nicht mein Ding. Kannst du mir wenigstens zeigen, was du hast? Damit wir sehen, dass du es ernst meinst und nicht nur ’n paar Dumme ködern willst mit Füchsen, die’s gar nicht gibt?«
    Arri sah sich in der Kneipe um. Dann holte er unter seinem Harnisch einen kleinen Lederbeutel hervor. Er zog die Schnur auf, legte das Säckel auf den Tisch. Dutzende kleiner Goldmünzen funkelten aus der Öffnung. »Reicht das?«
    Mart grinste, dass man seinen abgebrochenen schwarzen Eckzahn sah. »Allerdings«, sagte er. »Für so ’ne Löhnung würde ich sogar einen Mord begehen.«

II. T EIL :
    D ER WEISSE T URM

4.
    Gontas spürte den Atem der Stadt, lange bevor er Apis erreichte. Das Gras wurde dichter, dann kamen Wege hinzu. Kleine Katen standen in der Landschaft. Ziegenhirten weideten ihre Tiere. Gontas sah bald so viele von ihnen, wie selbst im fruchtbarsten Buschland nicht.
    Er folgte den Wegen, die von hier aus alle auf die Stadt zuführten. Aus den Katen wurden Dörfer, schmutzige kleine Weiler mit Lehmhütten. Gontas hätte niemals sein Zelt gegen so einen Erdhügel eintauschen wollen. Anstelle der Hirten sah er Bauern auf ihren mageren Feldern mit den Bewässerungsgräben. Die meisten trugen nicht mehr als einen Lendenschurz, und alle sahen von der Arbeit auf und äugten zu dem einsamen Wanderer, der aus einer so ungewöhnlichen Richtung kam.
    Zuletzt erblickte Gontas die Stadt selbst. Er marschierte durch die schäbigen Vorstädte, die sich kaum von den erbärmlichen Lagern der Vagantenstämme am Rande des Steinlands unterschieden. Unter die festen Häuser, die selbst kaum mehr waren als Verschläge, mischten sich windschiefe Zerrbilder von Nomadenzelten, mit Stangen aus krummem Holz und mit Lumpen behangen. Nackte Kinder liefen lachend ein Stück hinter ihm her.
    Gontas überholte andere Fußgänger und Karren, die noch langsamer unterwegs waren. Gelber Staub wolkte von der Straße auf und legte sich über alles.
    Gontas ging auf die Stadtmauer zu, die hinter den Gebäuden aufragte. Es war das größte Bauwerk von Menschenhand, das Gontas kannte, mehr als viermal so hoch wie ein Mann und aus braunen Ziegeln gefügt. Doch wenn Gontas dieses Werk mit den Bewohnern verglich, kam er zu dem Schluss: je härter die Mauern, umso weicher die Menschen.
    Gleich vor dem Tor kam er am Richtplatz vorüber. In der Mitte stand eine große Bühne, gleichfalls gemauert, mit einem festen Galgen, Richtblöcken, Schandpfählen und ausgeklügelten Gerüsten, an denen die Städter ihre Mitbürger quälten. Oben auf dem Podest waren immer ein paar Menschen zu sehen, wie Gontas von seinem letzten Besuch wusste, Tote, Gepeinigte und ihre Wachen.
    Darum herum gab es viel freien Platz. Hier standen keine Hütten, dafür hatten sogar ein paar karge Büsche und dürre Bäume auf der Fläche wurzeln können. Die einzige Straße in diese Stadt führte gleich unter der Bühne vorbei, und in dem Gedränge der Händler, der Bauern und Tagelöhner, die nach Apis strömten, der Söldner, Reisenden und Marktbeschicker erkannte man die regelmäßigen Besucher daran, dass sie nicht mehr den Kopf hoben und neugierig zur Richtstätte starrten.
    Es war spät am Nachmittag, und immer noch drängten viele Menschen nach Apis hinein. Das sechs Schritt breite Tor wirkte fast zu schmal für die Massen, die um diese Tageszeit in beide Richtungen unterwegs waren. Gontas

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