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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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gleich zusammenwerfen.«
    »Nein, das glaub ich nicht«, gab Gontas zurück. »Ich wollte mir in der Stadt ein paar Leute suchen, die was wissen. Was soll ich mit ein paar Leuten, die auch Fragen haben?«
    »’n bisschen was wissen wir schon, du«, sagte Tori.
    »Diese Zitadelle zum Beispiel«, sagte Mart, »davon hab ich gehört.«
    »Du weißt, wo sie ist?« Gontas horchte auf. »Halime wollte dahin. Vielleicht dieser Tarukan auch.«
    »Klar wiss’n wir, wo das Luftschloss ist.« Tori lachte. »In Wolkenmärchenheim, du!«
    Gontas sah sie verwirrt an.
    »Die Zitadelle der Götter«, erklärte Mart. »So heißt sie bei den Fahrenden. Aber Tori hat recht, es ist nur eine Legende. Man hört immer wieder mal von Burschen, die fest davon überzeugt sind, dass sie wissen, wo das Ding liegt. Aber gefunden hat sie noch keiner, und ein paar, die danach gesucht haben, sind auch schon verloren gegangen.«
    »Is ’n Schwindel für leichtgläubige Fiesel«, fügte Tori hinzu. »Die zu viel Soffes gekippt ha’n und gleich loslaufen, wenn jemand ’ne Karte vor ihrer Nase schwenkt.«
    »Aber diese Zitadelle soll voll sein mit Schätzen.« Mart strich sich nachdenklich über die Bartstoppeln. »Auch voll mit Gefahren, klar, aber wer da reinkommt, ist ein gemachter Mann. Hab ich auch immer für ’n Märchen gehalten, aber wenn jetzt das Mädchen und der Hexer der Buschleute davon gesprochen haben …«
    »Du weißt also nicht, wie man dorthin kommt«, stellte Gontas fest. »Du weißt gar nichts. Nein, mir leuchtet immer noch nicht ein, warum ich mit euch beiden zusammen durch die Gegend irren soll.«
    »Wir wissen immerhin, wo Tarukan lebt«, sagte Mart.
    Gontas sprang auf. Die Getränke schwappten aus den Bechern. »Das Schwein!«, brüllte er. »Wir gehen hin, und wenn Halime dort ist …«
    Mart hielt ihn wieder zurück. »Tarukan ist viel unterwegs. Ich glaub nicht, dass wir ihn zu Haus antreffen. Aber sein Briske, sein kleiner Bruder hält dort die Stellung, auf dem Landsitz ihrer Familie. Der muss wissen, was Tarukan treibt. Wir müssen einen Schritt um den anderen tun, wenn wir an Tarukan rankommen wollen.«
    Später am Abend, die Sonne war längst untergegangen, trat Gontas hinaus auf das flache Dach seiner Unterkunft. Stundenlang hatte er bei seinen neuen Verbündeten gesessen und Pläne geschmiedet. Dennoch wusste er immer weniger, wohin seine Reise am Ende führen würde.
    Er musste sein Augenmerk auf das Wesentliche richten, auf seine Suche nach Halime!
    Aber Halime war genauso undurchschaubar wie der Styx.
    Gontas sah zu den Sternen hinauf, die am schwarzen Firmament standen wie blasse Diamantsplitter; zu den Monden, die in ihren gewohnten Farben und Formen über die finstere Silhouette der Stadt hinwegzogen. Nur der Styx war in jeder Nacht neu, ungreifbar in seiner Gestalt. Heute stand er als orange Scheibe am Himmel, verhangen von einem wogenden Schleier aus klarem Blau. Doch was der Mond des Styx in der nächsten Nacht bringen würde, das wusste niemand.
    Er zog dahin, so wandelbar wie das Schicksal selbst, so wandelbar, dass selbst die Sterndeuter von Modwinja glaubten, so hieß es, sie könnten aus der Form des Styx allein das Schicksal der ganzen Welt deuten.
    Was für ein Schicksal hatte Halime ihm gebracht, als sie vor wenigen Wochen in sein Zelt getreten und wieder verschwunden war? Zumindest würde er bald im Haus seines Feindes stehen und diesem Tarukan zeigen können, was es bedeutete, ihn, Gontas, zu bestehlen.

5.
    Es ging auf Mitternacht zu. Swetjana dewa Jerigin stand an ihrem Pult in dem kleinen Observatorium, das seit Jahrhunderten den höchsten Turm auf dem Anwesen ihrer Familie krönte.
    Das Dach ließ sich in breiten Abschnitten zur Seite klappen, und heute hatte Swetjana jenen Teil geöffnet, der den Blick auf den Styx freigab. Sie schaute zu dem Mond empor, mal durch ein silbernes Teleskop, das auf einem glänzend polierten Gestell ruhte, mal mit bloßem Auge. Sie zog Farbtabellen zurate, huschte wieder zum Pult, um neue Berechnungen anzustellen, und lief dann abermals zu ihrem Aussichtspunkt.
    Die Sterndeuterei war seit Generationen eine Leidenschaft der Jerigins. Swetjana war erst siebzehn, aber sie war mit der Sternenkunde aufgewachsen und hatte schon als kleines Kind auf dem Schoß ihres Vaters durch das Teleskop die Gestirne betrachtet. Inzwischen war sie meist allein hier oben. Der Vater besuchte, seit die Mutter gestorben war, das Observatorium nur noch, wenn er seine Tochter sehen

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