Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)
ein Spiel? Und, verdammt noch mal, wessen?
"Die Sie suchen, finden Sie in Zimmer 15. Wissen Sie , wo das ist?", fragte die Frau.
"Ist das oben?" , fragte Daniel zurück. Die Frau nickte.
"Wer hat Ihnen das für mich gegeben?" , wollte Daniel wissen.
"Sie werden finden, was Sie suchen", sagte die Frau rätselhaft, drehte sich um und drängte sich in die Menge. Die Menschenmasse schloss sich hinter ihr.
Daniel versuchte in den Bereich eines Spotlights zu kommen. In dem harten Licht riss er das Papier von dem Päckchen. Es umhüllte ein japanisches Messer mit mindestens zwanzig Zentimeter langer Klinge. Die Klinge war von einer Holzscheide bedeckt. Daniel zog das Messer ein wenig heraus, prüfte die Klinge mit dem Daumen: Sehr scharf, stellte er fest. Keine Nachricht. Aber war nicht das Messer Nachricht genug? Der Absender war gewiss kein Freund friedlicher Nächte.
Daniel ließ die Waffe in seiner inneren Jackettasche verschwinden und begann sich zur Treppe vorzukämpfen. Er erreichte den oberen Flur. Die Musik versackte im Abgrund der Treppe. Daniel nahm die plötzliche Ruhe als unnatürlich wahr.
Die Zimmernummern waren mit verschnörkelten Goldbuchstaben auf die schwarzen Türblätter geschrieben. Daniels Augen suchten und fanden die Nummer 15. Es war das Zimmer, das er schon kannte.
******
"Also, jetzt noch mal ganz klar und deutlich, Herwig! Hast du mich heute angerufen und mich in diesen seltsamen Laden gelotst?", fragte Lin, die es sich inzwischen auf dem fünfeckigen Bett bequem gemacht hatte.
"Wenn ich mich hier so umsehe und dich so ansehe", grinste Herwig, "dann könnte die Idee wirklich von mir sein." Er kniete sich neben Lin auf das Bett und griff nach ihr.
"Lass mich in Ruhe, Herwig! Mir ist jetzt wirklich nicht nach Sex", entgegnete ihm Lin scharf. "Sag mir endlich, was los ist!"
Aber er ließ sie nicht los, sondern zog sie an sich.
"Nun, vielleicht sollten es etwas herbere Zärtlichkeiten sein, etwas strengere Kost, etwas, was dich deinen blöden Mann und mich meine blöde Frau völlig vergessen lässt?"
Lin wehrte sich. Aber sie wehrte sich nicht so stark, wie es ihr erster Satz hätte vermuten lassen können. Etwas an dieser Situation gefiel ihr auf eine makabre, aber durchaus reizvolle Art.
Herwig verstand diese zwiespältige Art der Abwehr als Einladung, den einmal beschrittenen Weg fortzusetzen. Er drückte Lin mit seinem breiten Oberkörper zurück, presste sie auf das Bett und fasste mit der freien rechten Hand zwischen ihre Schenkel.
Hinter ihm öffnete sich die schwarze Türe und Daniel trat ein. Er erfasste die Situation auf dem Bett, gab keinen Laut von sich, sondern zog das Messer aus der Jacke. Mit der linken Hand streifte er die Holzscheide von der Klinge und ging mit leisen Schritten auf das Bett zu. Nicht mehr nur Wut pulste in Daniel. Da war auch plötzlich wieder diese krächzende Stimme, jene Stimme, die er zunächst selbst gebraucht hatte. Er hatte sie Lin gegenüber am Telefon eingesetzt und auch im Autokino hinter ihr sitzend. Und dann musste sie sich verselbständigt haben. Denn sie war ihm dann - zu seiner eigenen, völligen Überraschung - aus dem Telefonhörer entgegen getönt, als er mit Lin auf der Empore lag.
"Stich zu!" , krächzte die Stimme jetzt in seinem Kopf. "Lass dir das nicht gefallen. Stich zu!"
Daniel stand jetzt direkt hinter Herwig, fasste das Messer mit beiden Händen und hob es zum Stich in den Rücken seines Nebenbuhlers.
Das ganze Zimmer schien ihn in seinen Bewegungen zu unterstützen. Es schien höher zu werden, ihm nach oben Platz zum Ausholen einzuräumen. Von hinten traf ihn ein kalter Hauch, der ihn vorwärts treiben wollte.
Lins Hände fassten um Herwigs kräftigen Rücken herum, griffen nach seinen Schultern, streichelten über seine Schulterblätter. Diese zarten, weichen Hände brachten Daniel aus dem Konzept. Er zögerte.
Die krächzende Stimme tobte in Daniel los. "Was bist du doch für ein elender Feigling! Waschlappen! Nagel sie gemeinsam an ihr Lotterbett! Was meinst du, warum ich sie dir hier ausliefere? Stich zu, zögere keine Sekunde mehr!"
Aber Daniel zögerte länger als eine Sekunde. Er blickte auf und sah in der Mauer gegenüber das hasserfüllte Gesicht einer alten Frau leuchten. Und dieses Gesicht war nicht auf diese Wand projiziert oder irgendwie aufgemalt. Es hatte Form, Höhe und Tiefe. Diese Wand war das Gesicht. Und dieses Gesicht geiferte los, spie Daniel an. Er ließ das Messer fallen. Jetzt wurden
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