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Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Titel: Im Mondlicht (Phobos) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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auch Herwig und Lin aufmerksam. Offenbar konnte die Frau ihre selektive Wahrnehmungstarnung, die sie nur für Daniel sichtbar und hörbar sein ließ, vor Wut nicht weiter aufrecht halten. "Ehebrecherisches Gesindel. Ihr habt nichts als qualvollen Tod verdient." Die Stimme legte in einer Lautstärke los, die das Verstehen fast verhinderte. Herwig riss Lin vom Bett hoch und stürzte mit ihr zur Tür. Sie sahen Daniel, aber es war nicht der Augenblick für Fragen oder Erklärungen. Daniel stand noch immer wie angewurzelt vor dem heruntergefallenen Messer.
    Herwig versuchte vergebens, die Türe zu öffnen. Irgendetwas zischte durch die Luft und traf Herwig klatschend auf die Schulter. Es schien zu leben. Her wig griff sich verzweifelt und Luft schnappend an den Hals. Lin wollte ihm helfen, aber schon beim ersten Schritt begann sie in den Fußboden einzusinken, als habe er sich in einen todbringenden Sumpf verwandelt. Währenddessen begann sich das Gesicht aus der Wand heraus immer mehr Daniel zu nähern. Es riss seinen Mund auf, nicht nur um weitere ätzende Sprüche abzulassen. Es wollte Daniel verschlingen.
    Herwig hatte die Aussichtslosigkeit erkannt, das DING von seinem Hals lösen zu können. Er nutzte die kurze Entfernung zur Türe und rammte mit der linken Schulter voran gegen das schwarze Türblatt. Es gab splitternd nach und Herwig landete krachend im Flur. Der kalte Luftzug, der jetzt das Zimmer durchflutete, riss auch Daniel aus seinem Entsetzen. Er wich dem gierigen Mund aus, trat neben Lin zerrte sie an beiden Armen aus dem sumpfigen Abgrund und stürzte mit ihr aus der Türe. Herwig kam taumelnd wieder auf die Füße. Sie wankten gemeinsam den Flur entlang, der sich vor ihren Augen in eine endlose, schwankende Röhre zu verwandeln schien. Kerzenleuchter stürzten um und entflammten einen der schweren Wandvorhänge. Sofort schlugen die Flammen bis zur Decke, als wäre der Stoff mit Benzin durchtränkt gewesen. In der Deckentäfelung fand die Flamme weitere Nahrung. Das Feuer leuchtete ihnen den Weg durch das Chaos. Zimmerwände brachen in den Flur, Deckenbalken stürzten herab. Was immer es war und was auch immer seinen Zorn erregt hatte, die Energie dieses furchtbaren Wesens kannte offenbar keine Grenzen.
    Jedoch, je weiter sie sich von jenem Zimmer Nr. 15 entfernten, desto ungezielter schienen die Anschläge auf die verhassten Menschen zu werden. Das seltsame Trio erreichte die Treppe. Im Lokal war durch den Rauch, aber auch durch herab fallende Deckenstücke schiere Panik entstanden. Die gnadenlos wütende Kraft griff jetzt voll auf diesen Raum über. Riesige Teile der Dekorationen und der Mauern aus dem oberen Stockwerk stürzten Funken stiebend herab. Das Feuer griff um sich. Plastik brannte und verbreitete giftige Dämpfe. Viel zu langsam fanden die entsetzten Menschen nach draußen. Herwig brach auf der Treppe tot zusammen. Die Wunden am Hals hatten ihn schlicht verbluten lassen, soweit ihm nicht vorher schon das Blut ausgesaugt worden war. Irgendetwas Namenloses löste sich von seinem Rücken und glitt wie ein riesiger Tausendfüßler die Treppe hinab.
    Lin wurde von einem herabstürzenden Balken zerquetscht, als sie die rettende Türe schon vor Augen sah.
    Eine halbe Stunde später saß Daniel auf der Straße und lehnte sich an den riesigen Reifen eines Feuerwehrwagens. Mit unendlich traurigen Augen starrte er auf die riesigen Flammen, die jetzt auch die Erker erreicht hatten. Es sah aus, als griffen hilflose Arme in eine dunkle Leere.

Nora
    "Für dich!", rief Bernd aus dem Wohnzimmer. Seine Stimme schallte durch das ganze Haus. Nora, die auf dem Dachboden stöberte, schreckte hoch. "Was ist?", rief sie zurück.
    "Telefon für dich!" , hörte sie Bernd rufen.
    Das Büro? Nora konnte sich nicht so recht vorstellen, wer sie am Sonntagnachmittag anrufen würde. Ausgerechnet jetzt, wo sie vor dieser alten Bücherkiste kniete, die ihre Vorgänger auf dem Dachboden zurückgelassen hatten. Nora und Bernd wohnten ja erst seit einer Woche in diesem alten Haus. Sie raffte ihr langes, dunkelblaues Hauskleid zusammen, erhob sich von den Knien und eilte ärgerlich die Treppe hinunter. Auf dem Dachboden musste sie dieser Anruf erreichen! Etwas außer Atem stürmte sie ins Wohnzimmer. Das helle Licht blendete sie fast. Die weißen Sterne im tiefen Blau des Kleides glitzerten. Sie entsprachen im Farbton ihrer Haarfarbe. Nora war mit zweiundfünfzig Jahren schlohweiß. Platinblond, nannte es Bernd, wenn er sie

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