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Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Titel: Im Mondlicht (Phobos) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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Frage denke... Aber damals wollte ich es wirklich wissen. Richtig wäre es gewesen, hier abzubrechen, Georg begütigend auf die Schultern zu klopfen und dann Schluss zu machen. Aber es ging nicht. Ich wollte es wissen und er erzählte es mir. Heute bereue ich es, dass ich zugehört habe. Kaum hatte ich die Frage ausgesprochen, sah ich zu Boden. Vielleicht schämte ich mich ein bisschen über meine Blödheit.
    Aber als dann keine Antwort kam, sah ich Georg an und dachte zuerst, ich könnte meinen Augen nicht trauen. Er hatte die Augen nach oben verdreht, so dass man fast nur noch da s Weiße sah. Was er dann sagte, klang wie in Trance gesprochen. "Auf den Gleisen, da war noch ein großer Schmerz in mir gewesen. Die Puffer der Lore hatten mich rücklings zu Boden geworfen. Dann kam das Rad. Das tat unendlich weh. Ich spürte wie ein Teil von mir rechts, der andere Teil links von dem Gleis zu Boden rutschte, wie ein nasser Aufnehmer vom Treppengeländer. Da war schon kein eigentlicher Schmerz mehr. Dass die Sanis mich auf eine Bahre luden, das habe ich mehr von oben gesehen. Mein Bewusstsein steckte nicht mehr in diesen geschundenen Körperteilen. Und im Totenkeller fühlte ich nicht mit meiner blassen Haut, den gebrochenen Knochen oder dem zerschnittenen Fleisch. Ich fühlte mit dem, was ich war, oberhalb der alten Knochen. Mein wahrnehmendes Ich blieb an der Decke des Totenkellers hängen. Ich konnte nicht richtig weg von diesen Leichenteilen. Irgendetwas fesselte mich an sie."
    "Ich hole etwas zu trinken", sagte Joan tonlos. Ihre Haut wirkte im Zwielicht der geschlossenen Kneipe gelblich. Sie brachte eine Flasche und drei Gläser. Wir tranken , Joan und ich. Georg trank nichts.
    Seine Augen blieben weiß und starrten ins Nichts. "Ich hatte noch was zu erledigen", fuhr Georg fort. "Ich hing unter der Decke und wusste: Du hast noch was zu erledigen. Ich wusste auch genau, dass ich dazu einen Körper brauchte. Zur Not einen halben. Ich überlegte, welchen Teil ich nehmen sollte. Ich entschied mich für den kopflosen Teil. Mein Bewusstsein glitt hinein, wie in eine leere Hülle. Sie fühlte sich ekelhaft kalt und feucht an. Aber mit Hilfe meiner Bewusstseinsenergie erwachte sie wieder zum Leben, oder wie ich das nennen soll. Ich spürte sogar, dass da, wo vorher der Kopf gesessen hatte und wo das Rad den Hals schräg durchtrennt hatte, etwas wuchs, etwas Unsägliches. Ich kroch zur Türe, wobei ich mich fortbewegte wie eine Schlange. Mit dem neuen Organ am Kopfende stieß ich die Türe auf, die mit lautem Krachen an die gegenüberliegende Wand flog. Woher kam diese Kraft? Nie im Leben hatte ich über eine so große Kraft verfügt. Im schlechten Licht der Gangbeleuchtung kroch ich durch den breiten Wassergraben in Richtung auf die Mannschaftsräume. Dort schliefen die Soldaten in Dreierschichten. Man stieg also immer in ein warmes Bett. Und ich wusste: Er ist jetzt dort drin. Auch die Tür zum Schlafraum stieß ich lässig aus den Angeln. Ich drückte mich an der Türfüllung hoch. Er lag im ersten unteren Bett in der Mitte. Ungläubige Gesichter starrten mich an. Münder verzerrten sich zu Schreien. Ich hörte sie nicht. Und wenn ich sie gehört hätte. Nichts konnte mich in diesem Augenblick mehr aufhalten. Ich warf mich auf ihn. Das mir neu zugewachsene Organ stellte mit seiner oberen Körperhälfte Unbeschreibliches an. Seine untere Hälfte quetschte ich mit meinem Schlangenbein zusammen, bis ich es krachen hörte. Dann zog ich mich aus meinem toten Körper zurück.
    Ich glitt aus dem Raum, durch die Mauern des Bunkers, an den Bäumen vorbei, den Sternen entgegen. Und da endlich war sie wieder, diese Stille, nun aber erfüllt mit einer geheimnisvollen , sphärischen Musik. Ich hörte den unglaublich intensiven Klang der Sterne. Schließlich war ich ja so erleichtert, das erledigt zu haben."
    "Eine Rache", warf Joan mit schwerer Zunge ein. "Die Rache eines Verlierers."
    "Nein", widersprach Georg fast gekränkt. Seine Augen hatten ihren Blick zurück gewonnen. " Es ging nicht um Rache. Es war mehr dieses Gefühl, ach, was sag` ich: Gefühl! Es ging um diesen unglaublich energiegeladenen Willen: So einer darf nicht am Leben bleiben. Dafür wollten wir, meine Kameraden und ich, doch nicht kämpfen, dass auch auf unserer Seite die sadistischen Kleinkrämerseelen gewinnen? Ich weiß es nicht. Es war etwas in dieser Richtung."
    "Egal. Ich finde, das war R ache", meinte Joan dickköpfig. Wenn sie trinkt, nimmt diese Seite an

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