Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

ihr stark zu. Sonst ist sie eine herzensgute Frau und eine patente Wirtin. "Und auch das fände ich gar nicht falsch. Gar nicht falsch. Der Scheißkerl!"
    "Und wie bist du von den Sternen wieder hierhergekommen?" , fragte ich.
    "Die Musik der Sterne trug mich immer weiter hinauf. Aber plötzlich kam ich zu mir und saß vor dem Eingang zum Werk Kalkofen. Das war vor einer Stunde oder so", antwortete Georg. Sein Blick wurde wieder so unstet.
    "Und fühlst du dich jetzt besser?" , fragte ich
    Georgs Stimme begann zu verschwimmen, als er sprach: "Ja, ich... nein! Irgendetwas spaltet mich immer noch. Es ist ein innerer Schmerz."
    Während er sprach, begann sich ein blutiges Mal an seinem Hals abzuzeichnen. Wie aus eigener Kraft riss die Haut auf, und wenn ich meinen Ohren trauen durfte, setzte sich der Riss nach unten hin fort. Georg sank seitwärts vom Stuhl. Und was sich da jetzt vor Joans und meinen entsetzten Augen herumwälzte und sich von seinen zerfetzten Lumpen zu befreien begann, hatte kaum mehr etwas Menschenähnliches. Dann kroch etwas Schlangengleiches zur Türe, das Türblatt erbebte unter einem schweren Schlag und fiel aus den Angeln. Eiskalte Luft drang von draußen herein. Vor uns, in einer riesigen Blutlache, lag eine Hälfte von Georg und war tot. Die andere Hälfte... Ich hoffe, sie findet bald Erlösung.
    Joan ist anderer Meinung. An jenem Abend jedenfalls lallte sie: "Hoffentlich findet er noch so ein paar sadistische Scheiß kerle und schickt sie zur Hölle!"
    Wie gesagt: Joan war schon sehr betrunken. Dann nimmt die harte Seite an ihr zu. Ich begann mir Gedanken darüber zu machen, was Georg noch alles nicht erledigt haben könnte. Man weiß ja so wenig über seine Mitmenschen.

Verkauft
     
    War diese verdammte Kette über Nacht eingelaufen? Elmar fragte sich, ob er langsam verrückt wurde. Von draußen war nichts zu hören. Nichts. Heute war Mittwoch. Wahrscheinlich war heute Mittwoch. War heute wirklich Mittwoch? Wenn er sich in seinen Berechnungen nicht täuschte, waren inzwischen drei Tage seit seiner Entführung vergangen. Aber woran sollte er die Zeit in einer Zelle messen, in die kein einziger Lichtstrahl fiel? Und eine Uhr hatte er nicht mehr.
    Drei Tage. Drei mal bis zur Ewigkeit und zurück. Vor drei Tagen war er noch ein von vielen beneideter 22-jähriger junger Mann gewesen, voller Aussichten, auch einmal so reich zu sein wie sein Vater. Aber dann hatten ihn Entführer auf dem Weg zum Surfen erwischt.
    " Könnten Sie uns mal helfen?" Eine hübsche, blonde Frau mit großen Augen und diesem "Kind-ist-in-Not-Blick" sah Elmar flehentlich an. Ihr Wagen hatte sich in dem Sandweg offenbar fest gefräst.
    " Wenn Sie so freundlich wären, mit zu schieben?" Und Elmar konnte nicht Nein sagen. Er stellte sich hinter ihren Ford-Caravan, zum Schieben bereit. So ein Typ wie Arnold Schwarzenegger gesellte sich neben ihn. Elmar dachte noch, der hätte den Wagen wahrscheinlich ganz allein den Weg lang tragen können, da rammte ihm dieses hinterlistige Schwein seinen Ellbogen von der Seite in die Rippen. Mit blockierendem Atem war Elmar gegen den Wagen gefallen. Er hatte die nächsten Schläge nur noch sehr schwach registriert. Dann waren ihm die Lichter ausgegangen.
    Als er wieder zu sich gekommen war, hatte er schon in diesem alten Gemäuer gelegen. Es stank vor Feuchtigkeit und faulender, alter Erde. Elmar hing an einer Kette. Ob sie die Kette kürzten, während er schlief?
    Gestern hatte er noch, wenn er sich ganz streckte, die eiserne Türe berühren können. Heute griff er ins Leere. Elmar setzte sich auf den Schlafsack, den sie auf eine einfache Luftmatratze gelegt hatten. Der Stoff war inzwischen glitschig feucht geworden. Elmar fröstelte.
    "Arnold" kam zwei Mal am Tag und brachte ihm Essen, Knäckebrot, Margarine, Käsescheiben und H-Milch. Elmar war sich sicher, er würde hier nicht zunehmen.
    Links von der Tür stand ein Klosett o hne Brille (ekelhaft kalt beim Draufsetzen). Vor allem war es die Kälte, die Elmar zu schaffen machte. Sie kroch an ihm hoch und in ihn hinein, sie lähmte ihn. Ob sie schon Kontakt mit seinen Eltern aufgenommen hatten? Elmar stellte sich das vor. Sie würden es mit einem späten Anruf versuchen, um die Eltern zu erwischen, wenn sie schon halb im Bett waren. Das würde den Schock vergrößern. Wahrscheinlich Sonntagabend um 23 Uhr. Diskret würde das Telefon in Albert Sozowskis mondän ausgebautem Bauernhaus schnarren. Wahrscheinlich wäre Vater Albert nicht da.