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Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Titel: Im Mondlicht (Phobos) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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tatsächlich keine kleinen Kinder fraßen.
    Kevin verfügte über eine mindestens so starke Intuition wie ich. Das Erbe der Katze in ihm? Er hatte den handlichen Koffer mitgebracht, in dem unter anderem meine Bogenutensilien professionell verstaut waren.
    In diesen Dingen bin ich ein altmodischer Mensch. Ich mag Compoundbögen mit ihrem Flaschenzugtrick nicht. Am liebsten schieße ich mit einem dieser alten hunnischen Kompositbögen, mit denen die wilden Reiter schon im frühen Mittelalter die Völker Mitteleuropas zur Verzweiflung gebracht hatten. Und die modernen Recurvebögen sind da eine gute Weiterentwicklung. Sie besitzen demontable Wurfarme. Man schraubt den Bogen auseinander, und er passt in einen Koffer, gemeinsam mit einem guten Dutzend Pfeilen und verschiedenen Spitzen. Ich kann die Pfeile mit scharfen oder mit stumpfen Spitzen ausrüsten. Ich kann töten oder nur betäuben.
    Kevin, der Puma , ließ mich am Hauptbahnhof aussteigen. Er reichte mir den flachen Koffer herüber.
    "Brauchst du sonst noch was?" , fragte er.
    " Eine Eingebung!", gab ich zurück.
    "Suchst du den Feind oder nur den Ort, an dem er sich aufhält?"
    "Beides, Kevin, beides!"
    Ich reichte Kevin meine Hand mit der geöffneten Handfläche nach oben. Er legte seine Pranke flach darauf , und ich spürte seine Krallen. Im Halbdunkel des Wagens schienen seine gelben Augen mit den schwarzen, senkrechten Strichpupillen geradezu zu leuchten. Einen Moment lang schlug seine Intuitionsenergie auf mich über. Vor meinem inneren Auge sah ich einen indischen Tiger im Käfig. Doch dieser Käfig stand eindeutig nicht in Indien, ganz gewiss nicht. Tannen begrenzten den Hintergrund, eine Tropfsteinhöhle geisterte durch das Bild. Ein See, eine große Staumauer. Der Tiger hatte anscheinend all seine Kraft verloren. Er wirkte desorientiert und verängstigt. Sein gequälter Schrei dröhnte in meinen Ohren. Der Tempel begann sich ins Bild zu schieben, den ich aus meinem Traum kannte. Der Tiger begann immer heftiger zu schreien.
    Ich ließ Kevins Hand los und drückte mir die Hände auf die Ohren. Was kindisch war. Es würde nichts nützen, denn dieser Schrei kam ja aus meinem Inneren. Immerhin hatte ich mit meiner Reflexbewegung den Intuitionsverbund zu Kevin unterbrochen. Das gelbe Leuchten in seinen Augen erlosch.
    "Du hast es gesehen?", fragte er.
    Ich nickte.
    "Alles Gute und viel Erfolg. Den Unterdrückern keine Chance!", fügte er aufmunternd hinzu. Ich zog mich aus dem Wagen zurück. Kevin startete und zog den Chrysler elegant in den fließenden Verkehr. Kevin fuhr übermenschlich gut Auto.
    Ich betrat den Bahnhof. Der Strom der Menschen teilte sich vor mir. Ich kam mir vor wie ein Eisbrecher. An der Höhle hatte ich meinen Zielort erkannt. Sie ist eine der größten Höhlen in Deutschland, feucht und eiskalt. Sie liegt abseits aller Großstädte, am Hang eines Mittelgebirgszuges. Was mich wunderte; denn ich hatte inzwischen gelernt, dass die Steuerzentren großer Unternehmen unabwendbar in den Großstädten liegen. Aber der Käfig des indischen Tigers war im Ländlichen zu finden.
     
    *****
     
    Blacklords letzter Kontakt mit Charles lag jetzt vier Wochen zurück. Inzwischen waren drei der acht Morde planmäßig planlos geschehen. Ein Autounfall, ein Messerstich, eine Feuersbrunst. Blacklord war sehr mit sich zufrieden, während sein eleganter Mercedes beträchtliche Höhen erklomm. Der "Tigerkäfig", so nannten sie inoffiziell das Institut für Verhaltensforschung, lag 700 Meter über dem Meeresspiegel. Es war eine Wohltat zu sehen, wie gut die Bevölkerung dieses Landstriches mitspielte. Diese kleinen Gemeinden waren so geil auf die Gewerbesteuer, dass selbst ein landschaftsgerecht gebautes und als ABM getarntes Konzentrationslager eine echte Chance gehabt hätte.
    Blacklord hatte kein Konzentrationslager gebaut. Allerdings hatte der Rat der Gemeinde es sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass das Institut den Bau eines Ausländerwohnheimes in Betracht zog. Warum sollte man die Welle der Völkerflucht nicht für die Forschung nutzen? Mit dieser privaten Initiative fühlte man sich auf Seiten der Gemeinde von jeglicher eigenen Verpflichtung gegenüber Asylbewerbern entbunden.
    Der Fahrer bog von der Hauptstraße ab. Blacklord wusste, dass sein Wagen jetzt im Bereich der versteckt angebrachten Kameras lag und in der Zentrale blitzschnell identifiziert wurde.
    Blacklord lehnte sich seufzend zurück. Er mochte das: Entscheidungen in der Stadt

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