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Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Titel: Im Mondlicht (Phobos) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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brandete auf. Die Rettungsbemühungen überschlugen sich. Für den Minister, da war sich Wagner ganz sicher, würde jede Hilfe zu spät kommen. Sein Blick fiel auf den Attentäter, der wie ein Wurm gekrümmt auf dem Boden lag. Der zweite Leibwächter riss ihn unsanft hoch und wuchtete ihn auf einen Stuhl. Der Kopf des Attentäters fiel wie abgebrochen zur Seite. Der Leibwächter fasste an seinen Hals, um die Schlagader zu spüren. Aber da war kein Herzschlag mehr fühlbar. Der Mann war tot.
    Wagner fühlte, wie ihn jemand anfasste. Sanitäter zogen ihn auf eine Tragbahre. Wagner ließ es geschehen. Er fühlte sich unglaublich müde. Die Sanitäter würden sich auch unglaublich müde fühlen, wenn sie ihn ins Krankenhaus getragen hatten. Er begann hysterisch zu kichern. Am Ende würden sich alle unglaublich müde fühlen, und sie würden einschlafen wie in Dornröschens Schloss, hundert Jahre lang, eingesponnen von schlangengleichen Dornenranken. Wagner sah sie wachsen. Kurz darauf wachte Wagner noch einmal auf. Einer der Sanitäter war gestolpert. Der Mann drehte sich besorgt zu ihm um, um zu sehen, ob ihm nichts geschehen war. Er sagte irgendetwas Mitleidiges. Wagner sah, wie sich dicke Dornenranken aus seinem Mund drängten, sich an seinen Armen hinunterringelten und die Bahre umschlangen. Wagner schloss schnell wieder die Augen. Aber die Dornenranken wuchsen vor seinem inneren Auge weiter.
     
    *****
     
    Als ich erwachte, war das Schlafzimmer voller Dornen und Manu verschwunden. Ich streckte meine Hand aus. Die Dornen stachen mir in den Finger. Ein paar rote Tropfen fielen auf das glänzende weiße Laken. Wie schwarze Wellen, wie Brandung in der Nacht kam die Depression heran. Aber da war auch etwas anderes. Ich kannte es gut. Es rettete mich immer wieder davor, ganz in den schwarzen Wellen zu ertrinken. Es war das Gefühl, eine wichtige Aufgabe zu haben.
    Ich rollte mich langsam aus dem Bett und begann den Tag mit einer intensiven Atemmeditation. Schon zehn Minuten später fühlte ich mich wie ein Albatros im Wind. Vorsichtig tastete ich mich durch die Dornen ins Wohnzimmer hinüber.
    Aber weder dort noch in der Küche fand ich eine Spur von Manu. Allerdings lag auf dem runden Tisch in der Essecke die Morgenzeitung: "Minister erstochen!", schrie mir die Schlagzeile entgegen. Und ganz vage tauchte aus dem Hintergrund meines Bewusstseins ein Tempel aus der Vogelperspektive auf. Schwarzgekleidete Adepten verließen ihn in alle Himmelsrichtungen. Und jeder von ihnen führte einen Plan mit sich, eine wichtige Persönlichkeit zu ermorden. Eine Mordtruppe war also unterwegs. Ich würde sie kaum mehr aufhalten können. Sollte ich diesen Tempel suchen? Immer wenn mich Unentschlossenheit befiel, ging es mir schlecht. Dann spürte ich die schwarzen Wellen schon an meine Füße plätschern. Ich entschied mich für die Suche.
    Ich habe Probleme, so etwas zu erklären. Es wirkt einfach zu unglaubhaft. Wie bei diesen Typen, die mit Pendeln über Landkarten verschollene Mordopfer für die Polizei suchen. Bei mir ist es noch direkter. Ich brauche kein Pendel.
    Jeder kennt das doch, diese erhellende Intuition. Du suchst stundenlang deinen Haustürschlüssel. Dann bist du es leid, fängst an, den Wagen zu waschen, denkst nicht an den Schlüssel und plötzlich sagt es: "Bing!" , und du weißt plötzlich ganz genau, wo er liegt. Das ist Intuition. Dieses Bing hat sich bei mir konzentriert und kultiviert. Und es hat sich eingerichtet, dass es Bing macht bei Dingen, die nicht im Geringsten etwas mit meinem Haustürschlüssel oder irgendetwas, was mir gehört, zu tun hat. Einer der Ärzte, die mich nach meiner "Ganz Cool-Phase" untersuchten, meinte, da seien archaische Fähigkeiten aus der Frühzeit der Menschheitsgeschichte durch die Genmanipulation ans Tageslicht gekommen. Aber woher will er das wissen? Vielleicht sind auch Fähigkeiten, die die Menschen erst im Jahre 2100 entwickeln werden, zu früh zu mir gekommen, viel zu früh.
    Kevin, der Puma , brachte mich mit dem Chrysler Bus zum Bahnhof. Früher hatte es oft einen Auflauf gegeben, wenn Menschen merkten, dass das Schwarze an Kevin nicht etwa seine Haut war, sondern Haar. Auch sein Gang war sehr seltsam. Von seinen grotesken Fingernägeln, die keine waren, sondern Krallen, nicht zu reden. Er konnte sie ein- und ausziehen. Inzwischen hatte man sich in dieser seltsamen Stadt an ihn und die anderen Manips gewöhnt. Zu dieser Gewöhnung hatte sicher auch beigetragen, dass sie

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