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Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Titel: Im Mondlicht (Phobos) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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um die Uhr.
     
    *****
     
    Er musste lachen. Dieter Aaden erinnerte sich an die Zeit, als er noch gesprochen, regelrecht mit Menschen kommuniziert hatte, als er Menschen noch etwas zu sagen gehabt hatte. Er lehnte sich mit seiner großen, massigen Gestalt an die Fensterfüllung und sah hinaus. Von hier aus konnte er direkt auf den Spielplatz sehen, der tagsüber mit Kindern und jungen Müttern angefüllt war. "Ich rieche Menschenfleisch", sagt der kalte, grausige und böse Mond im Märchen der Gebr. Grimm: "Die sieben Raben". Und Aaden fühlte sich genau so: Kalt, grausig und böse, und er witterte Menschenfleisch. Er leckte sich die dicken Lippen. Wenn er es recht bedachte, wusste er nicht genau, was ihn mehr in seine Taten zog: Der Geruch der jungen Körper oder das Schreien der Menschen, ihre Qual? Er wusste es nicht. Aber es zog ihn. Und wie: Der letzte Mord war jetzt schon wieder drei Monate her.
     
                                                            *****
     
    Gerd ließ das Wasser aus dem Becken, wischte sich mit dem Handtuch über das Gesicht und schleuderte sich ein paar Tropfen Backgammon auf die Haut. Er zog sich komplett und korrekt an und stieg, umwölkt von herbem Duft, die Treppe zum Arbeitszimmer hinunter.
    Der kleine Postbote geisterte über den Bildschirm. Gerd klickte ihn mit der Maus an. Der Postbote und der Bildschirmschoner verschwanden, stattdessen öffnete sich der Online-Bildschirm mit dem Emailprogramm. Gerd lud die Email vom Server. Günter-Gerr [email protected] wollte etwas wissen. Etwas, das er bereit war, mit pauschalen 50 Euro im Voraus zu bezahlen. Dass er auch schon bezahlt hatte, zeigte der kleine, prall gefüllte Geldsack rechts oben im Bild an.
    Gerd las zunächst die von Günter Gerritmen eingetragenen Grunddaten
    "geb. 1962              51 Jahre alt                            Beruf: Lektor eines großen Verlages
    Meine Frau/ Mein Mann, Partneri n, Partner               Esthelle: geb. 1964, 49 Jahre alt, Beruf, Studienrätin
    Kind1(m.),19 Jahre alt , Beruf              , Student
    Ki nd 2(w.). 17 Jahre alt, Beruf, Schülerin
    Ki nd 3(w.),13 Jahre alt, Beruf, Schülerin
    Kind 4(w.), 10 Jahre alt, Beruf, Schülerin
    Verheiratet seit 1985
     
    Die Problembeschreibung:
    Meine Frau Esthelle hat sich enorm verändert. Die Kinder sind jetzt teilweise erwachsen, teilweise noch jugendlich. Jedenfalls beanspruchen sie meine Frau nicht mehr allzu sehr. Jetzt hat sie sehr viele Termine abends und ist oft unterwegs. Ist sie aber da, wenn ich nach Hause komme - und das ist meistens sehr spät - hängt sie mir richtiggehend auf der Pelle. Ich kann nicht mehr in Ruhe Zeitung lesen, ohne das Gefühl haben zu müssen, sie wartet auf mich. Worauf? Auf tiefsinnige Gespräche, die Beziehung betreffend, auf erotische Avancen, auf Sex? Irgendetwas jedenfalls, was ich, erschöpft wie ich bin, nicht bringen kann. Und jeden Abend das gleiche: Der Anspruch, der Anspruch! Was soll ich tun? Was mich auch sehr irritiert ist: Sie hat ihr Outfit verändert. Sie trägt jetzt rassige Kostüme, nicht billig. Und sie trägt nur noch rote Schuhe, rot in allen Farbabstufungen."
    Wow , dachte Gerd, alle zwei Jahre ein Kind. Mächtig beschäftigt die Frau. Und der Mann macht Karriere. Lektor, das ist doch schon was. Und seine Frau ist Studienrätin. Immerhin. Trotzdem lässt er so etwas wie die klassische Arbeitsteilung durchblicken. Vielleicht arbeitet Esthelle nur mit halber Stelle oder noch weniger?
    Gerd hätte eigentlich gerne so eine Frau gehabt. Eine, die mit vier Kindern zu Hause alles regelt, zudem noch Geld - und nicht zu knapp - nach Hause bringt, abends noch Lust auf Gefühle hat und außerdem rote Schuhe trägt. Er seufzte. Gerd hatte jetzt gar keine Frau mehr. Na ja, gar keine stimmte nicht. Er lächelte schief. Er war geschieden.
    Gerd markierte den Abschnitt, klickte auf " Strg" und "p" und die "Problembeschreibung" wurde auf ein Din A4 Blatt geschrieben. Das war seiner Meinung nach einer der Vorteile der Online-Beratung. Er stand jetzt keineswegs unter Zeitdruck. Wenn er einen kreativen Schub hatte, konnte er sofort antworten. Wenn er etwas nicht verstanden hatte, konnte er Rückfragen stellen. Und wenn das Problem seinen Horizont überstieg, konnte er dem Klienten schreiben, er müsse sich noch etwas gedulden. Gerd würde dann sein Problem in die nächste Teambesprechung mit

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