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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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hätte.“
    „ Sieh mal an! Er manipuliert Leute und behauptet, ich wäre die Hexe.“
    „ Tja, mir sind auch alle Mittel recht, um ans Ziel zu kommen. So ist es mir aber lieber. Wessen Idee war das? Deine oder die deiner Großmutter?“
    „ Ihre. Anscheinend hat sie schon länger darüber nachgedacht.“
    „ Du kannst dich glücklich schätzen, sie zu haben.“
    Er hielt an, um mich an sich zu ziehen. Wider Erwarten versuchte er nicht einmal, mich zu küssen. Ich spürte seinen Atem an meiner Schläfe, seine Hand an meinem Rücken und sein Glück in meiner Magengrube.
    „ Ich liebe dich, Yannick.“
    „ Ich dich auch, meine Süße, ich dich auch … Wir werden beobachtet.“
    Eine Umdrehung und ich entdeckte das Grinsen von Manuel und Aurelie.
    „ Ihr habt euch aber viel zu erzählen“, neckte uns Manuel von weitem. „Eine Schnecke wäre hier schneller angekommen.“
    „ Ja, diese Lilly, eine richtige Quasseltante“, antwortete Yannick, als er auf seiner Höhe war und ihm die Hand reichte.
    Ich haute ihn auf seinen Allerwertesten und begrüßte die beiden ebenfalls.
    Nie hätte ich ein paar Tage zuvor zu träumen gewagt, dass wir alle vier so unbekümmert miteinander reiten könnten. Es war verblüffend zu sehen, wie die Jungs, die einst Rivalen gewesen waren und das wahrscheinlich nie ganz ablegen würden, nichtsdestotrotz Seite an Seite trabten und lachten. Die heitere Stimmung hatte etwas Beruhigendes. Ich war einfach glücklich darüber, dass sie sich so gut verstanden, besser noch als an meinem Geburtstag. Die Madrugada und die Spritztour in den Jura hatten sie ein Stück näher gebracht. Die Tatsache, dass Manuel mit Aurelie zusammen war, hatte mit Sicherheit zur Entspannung der Lage beigetragen, doch hoffte ich inständig, dass Yannick nicht erwähnen würde, dass ich vorhatte, nach Paris zu ziehen. Das war etwas, was ich Manuel selbst erzählen wollte.
    Aber eins nach dem anderen, meinem Vater unsere näherrückende Abreise schonend mitzuteilen, hatte für mich oberste Priorität. Sicher, er hatte achtundvierzig Stunden Zeit gehabt, sich damit anzufreunden, dennoch fühlte ich mich unwohl bei dem Gedanken, ich müsste ihm eröffnen, dass uns nur noch ein Tag zusammen blieb. Was völliger Quatsch war, denn für meinen Vater handelte es sich nur um ein paar Tage Urlaub. Ich wusste es besser und fühlte mich deswegen schlecht. Ich war kurz davor, ihn und Marie zu verlassen.
     

    Während ich mich fürs Restaurant richtete, hatte Papa sich und Yannick einen Aperitif eingeschenkt. Voller Unbehagen ging ich auf die Terrasse, ich wusste immer noch nicht, wie und wann ich mit der Neuigkeit rausrücken sollte. Gleich? Auf die Gefahr hin, dass damit der ganze Abend verdorben wäre. Oder sollte ich es beim Abendessen verkünden? Womit uns der Appetit vergehen könnte. Feige, wie ich war, tendierte ich allmählich dazu, es vor dem Schlafengehen zu tun. Es kam aber anders, weil mein Vater wissen wollte, was mich bedrückte.
    „ Mit mir ist alles okay. Entschuldige, wenn ich abwesend war, ich dachte an Paris.“
    „ Wisst ihr schon, wann ihr fahren wollt?“
    „ Wir dachten an übermorgen.“
    „ Oh! Schon?“
    Seine Reaktion überraschte mich keineswegs, Yannick kam mir zu Hilfe:
    „ Ja, ich habe heute Nachmittag mit meinem Untermieter telefoniert. Er möchte abreisen. Vorher würde ich mir gerne den Zustand der Wohnung ansehen.“
    „ Sieht so aus, als hättest du zwei Gründe zu feiern, mein Spatz. Übrigens, fährst du uns zum Restaurant?“
    „ Kann ich machen.“
    „ Ja dann – genehmige ich mir noch ein Bier. Trinkst du auch eins, Yannick, oder steigst du auf Wasser um? Da Lilly fährt, solltest du es ausnützen.“
    „ Danke, ich trinke gerne ein Bier mit dir.“
    Das war ja wieder typisch für meinen Vater. Sobald ihn etwas bedrückte, musste er unter irgendeinem Vorwand aufstehen, um sich wieder zu fangen. Mir war natürlich nicht entgangen, dass er Yannick zum ersten Mal im nüchternen Zustand geduzt hatte. Auch wenn es mich freute, klang es schon seltsam zu hören, wie mein Freund ebenfalls
du
zu meinem Vater sagte.
     

    Am darauffolgenden Tag versuchte ich, so viel Zeit wie möglich mit Papa zu verbringen. So viel, dass es schon auffällig war. Unter normalen Umständen hätte ich mich nie so lange an seiner Seite aufgehalten. Offensichtlich brauchte er diese Nähe ebenfalls. Dessen wurde ich mir bewusst, als meine Großmutter am Frühstückstisch fragte, ob wir nicht alle zusammen

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