Im Morgengrauen
Handbewegung.
„ Hättest du wohl gerne! Kommt aber nicht infrage. Ich gebe keine Vorstellung, sorry!“
„ Was würdest du davon halten, in eine Disco zu gehen?“
„ In eine Disco?“, wiederholte ich überrascht.
„ Ich möchte in den nächsten Tagen nach Genf. Ich liebe zwar die Ruhe, die Natur und die Berge, aber Paris fehlt mir ein wenig. Es würde mir gut tun, mal wieder unter Leute zu kommen. Du würdest mir eine große Freude machen, wenn du mich begleiten würdest. Und wenn wir schon da sind, könnten wir genauso gut den Abend dort verbringen.“
Mein Magen schnürte sich zu und ich murmelte: „Ich weiß nicht.“
„ Stimmt! Ich hatte vergessen, dass du jede Entscheidung überschlafen musst.“
„ Das ist es nicht. Wenn es nach mir ginge, würde ich sofort ja sagen. Ich weiß aber nicht, was meine Großmutter dazu sagen wird.“
„ Darf ich dir eine Frage stellen?“
„ Ja.“
„ Wie alt bist du?“
Die Schnur in meinem Bauch wurde noch enger zusammengezogen.
„ Fast achtzehn.“
„ Was heißt fast?“, fragte er lächelnd.
„ In zehn Tagen …“ Seine Augen starrten mich nachdenklich an. Ich fing an, mich unwohl zu fühlen, und brach das Schweigen.
„ Darf ich dir auch eine Frage stellen?“
„ Nur zu!“
„ Hättest du von Anfang an gewusst, wie alt ich bin, wäre ich nicht hier, oder?“
„ Es kommt darauf an, was du mit
von Anfang an
meinst. Hätte ich dich auf der Straße mit dem Mofa getroffen, hätte ich ein hilfloses hübsches Mädchen in dir gesehen, nicht mehr. Ich hätte dir mit Sicherheit geholfen, weil es in meiner Natur liegt, ich hätte aber nie versucht, dich wiederzusehen. Du bist mir aber in der Bücherei aufgefallen und irgendetwas ist mit mir passiert, als wir uns das erste Mal angeschaut haben. Ich kann es nicht erklären, und obwohl du abweisend warst, hatte ich den Eindruck, dass ich dich nicht kalt lasse … Habe ich Recht?“
„ Na ja, … ich fürchte, du lässt kein Mädchen kalt.“
„ Mag sein, aber das soll nicht heißen, dass ich der Schürzenjäger bin, für den du mich hältst. Wahrscheinlich bin ich deshalb so ungeschickt, wenn mir ein Mädchen gefällt. Wie auch immer. Als ich dachte, ich würde dich nie mehr sehen, hätte ich mir in den Arsch treten können, weil ich nichts unternommen hatte, um dich wiederzutreffen. Du kannst dir vorstellen, wie glücklich ich war, als ich feststellte, dass dein Mofa nicht anspringt. Ich war so froh, ich habe gar nicht über dein Alter nachgedacht. Hätte ich es in dem Moment erfahren, wäre es schon ohne Bedeutung gewesen. Gestern am Felsen hätte ich dich am liebsten gefragt, ich habe mich aber nicht getraut. Hättest du fünfzehn oder sechzehn geantwortet, hätte ich die Notbremse ziehen müssen. Also
fast achtzehn
klingt doch nicht schlecht.“
„ Kann ich dir noch eine Frage stellen?“
„ Klar.“
„ Wie alt bist du?“
„ Fünfundzwanzig.“
„ Eins wüsste ich noch gern: Hattest du einen Kugelschreiber dabei am ersten Tag?“
„ Sicher. Einen in meiner Jacke und bestimmt drei im Handschuhfach“, grinste er ganz stolz. „Um auf deine Großmutter zurückzukommen, vielleicht solltest du abends weggehen, damit sie sich schon mal daran gewöhnt. Ich hoffe doch, du darfst abends weg?“
„ Klar darf ich das.“
„ Also, was machen wir? Essen gehen, Kino, DVD anschauen, Musik hören. Wir könnten einfach nur spazieren gehen?“
„ Essen“, antwortete ich spontan.
So konnten wir miteinander reden, ohne uns zu nahe zu kommen. Ich wusste immer noch nicht, wie weit ich mit Yannick gehen wollte.
„ Okay! Und was ist mit heute Nachmittag? Ich würde gerne eine kleine Wanderung machen, wenn du nichts dagegen hast.“
„ Überhaupt nicht. Das ist eine gute Idee.“
Meine Antwort entwich mir so spontan, dass ich erst danach begriff: Ich hatte gerade zwei Dates zugestimmt. Auf einmal wurde mir ganz mulmig.
„ Um wie viel Uhr soll ich dich abholen?“
„ Ich komme hierher. Sagen wir um zwei?“
„ In Ordnung.“
„ So, ich muss jetzt gehen, meine Großmutter wartet bestimmt auf die Einkäufe.“
„ Apropos Einkäufe, was magst du denn trinken?“, fragte er beim Aufstehen.
„ O-Saft und Wasser sind okay, du brauchst wirklich nichts extra für mich holen.“
„ Lass das meine Sorge sein. Die CD von Bj
ø
rn Berge lass ich hier liegen, falls du sie morgen früh hören willst. Nur für den Fall, dass du vorbeikommst. Du kannst ruhig Musik hören, während ich unten
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