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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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verblüffend. Yannicks Selbstsicherheit färbte auf mich ab und ich wollte ihn nicht mit meinen Ängsten ablenken.
    „ Was wollt ihr?“, fragte er.
    „ Das Mädchen“, antwortete der Mann mit der Waffe.
    „ Cool bleiben Lilly. Dir passiert nichts … mir auch nicht.“ Während er dies leise aussprach, zog er ein Messer. „Nur über meine Leiche“, rief er weiter. „Seid ihr sicher, dass ihr das riskieren wollt?“
    Das Grinsen verschwand aus ihren Gesichtern. Der Unbewaffnete ging ein paar Schritte zurück und telefonierte. Anschließend lief er zu seinem Gefährten, und obwohl seine Worte nur ein Flüstern waren, konnte ich hören, wie er zu ihm sagte: „Lass gut sein, wir gehen.“
    Was sie auch taten … rückwärts und ganz langsam, ohne Yannick aus den Augen zu lassen.
    Dieser packte seine Waffe wieder ein, nahm mich in seine Arme und sagte: „Oh, Lilly! Ich hatte solche Angst.“
    Ich entriss mich seiner Umarmung und schaute ihm in die Augen.
    „ Komisch, ich hatte nicht den Eindruck.“ Ich hatte nur Zorn und Wut gespürt, keine Spur von Angst. „Trägst du immer ein Messer bei dir?“
    „ Eigentlich nicht. Sagen wir, es war ein glücklicher Zufall.“
    „ Könntest du mich bitte nach Hause fahren?“
    „ Natürlich.“
    Schweigend liefen wir zum Wagen zurück. Ausnahmsweise ließ er während der Fahrt keine Musik laufen. Eigentlich hätte ich mich ihm vor lauter Dankbarkeit um den Hals werfen sollen. Eigentlich war ich ihm auch dankbar. Er hatte mir vielleicht das Leben gerettet, mir womöglich eine versuchte Vergewaltigung erspart … Zumindest hatte er eine Metamorphose vor Zeugen vermieden. Also sollte ich mich glücklich schätzen.
    Aber irgendetwas an seinem Verhalten hatte mich gestört. Zunächst diese nicht vorhandene Panik. Selbst für jemand, der hin und wieder einen Kick braucht, war das nicht normal. Es schien mir, als hätte er sich mehr über mein Verhalten gesorgt als über das der Angreifer. Und sein Messer machte mir Angst. Die jungen Leute in meinem Bekanntenkreis liefen nicht bewaffnet herum. Wer war er denn überhaupt? Ich kannte ihn gar nicht. Als ich ihn anblickte, sah ich, wie er erwartungsvoll zu mir rüberschielte.
    Auf einmal tat er mir Leid. Wieder versuchte ich mich darüber zu freuen, dass er bewaffnet gewesen war. Ich wollte gar nicht daran denken, was sonst alles hätte passieren können. Wenn er nicht Herr der Lage gewesen wäre, hätte ich mich womöglich in einen Löwen verwandelt. Oh Gott! Und das vor seinen Augen! Das hätte sicherlich das Aus bedeutet. Aber trotzdem, wer nimmt ein Schnappmesser mit, wenn er seine Freundin in ein Restaurant ausführt, vor allem in einem so ruhigen Städtchen?
    „ Um acht“, riss er mich aus meinen Gedanken.
    „ Wie bitte?“
    „ Du hast mich vorhin gefragt, wann ich morgen früh abreise. Die Antwort ist um acht.“
    „ Oh!“
    Es folgte wieder ein langes Schweigen. Vor dem Haus meiner Großmutter stellte er den Motor ab.
    „ Ich kann aber später losfahren, wenn du willst. Das Fotoshooting ist erst übermorgen.“
    „ Nein, du brauchst meinetwegen deine Pläne nicht zu ändern.“
    „ Ich möchte, dass du mich begleitest.“
    „ Es geht nicht. Das weißt du doch.“
    „ Wie kannst du so sicher sein? Du hast nicht einmal gefragt“, warf er mir vor.
    „ Ich weiß, wie meine Großmutter und mein Vater ticken“ ...
Was ich von dir nicht behaupten kann.
„Was erwartest du? Sie werden nie zustimmen. Sie kennen dich nicht einmal“ …
ich auch nicht
, beendete ich den Satz in Gedanken.
    „ Nach allem, was heute Abend passiert ist, lasse ich dich ungern allein.“
    „ Erstens bin ich nicht allein und zweitens brauchst du dir keine Sorgen zu machen, denn ich habe nicht vor, abends wegzugehen. Tschüss!“
    Ich verabschiedete mich mit einem flüchtigen Kuss. Als ich rauswollte, nahm er meine Hand.
    „ Pass auf dich auf, Lilly.“
    Seine Berührung löste einen Druck in meiner Brust aus. Ich war zerrissen zwischen dem Verlangen, er möge mich in seinen Armen halten, und dem Bedürfnis, sofort aus diesem Wagen auszusteigen.
    „ Dein Helm!“, rief er, als ich bereits draußen war.
    „ Danke, und gute Fahrt morgen!“
    Nachdem ich die Beifahrertür zugeschlagen hatte, lief ich zum Haus, ohne über die Schulter zu schauen, und hörte, wie er lossauste.
     

17
     

     

     

     

    Die Nacht war schrecklich gewesen. Erst hatte ich größte Mühe mit dem Einschlafen gehabt, und dann wurde ich auch noch von einem Albtraum

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