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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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einfach die Musik, um sich abzureagieren? Noch nie hatte ich so viel Zorn in seinem Blick gesehen und war froh, dass er nicht mir galt. Als wir in die Stadt kamen, machte er die Musik aus. Zum ersten Mal seit dem Zwischenfall traute ich mich, ihn wirklich anzusehen. Seine Augen hatten sich besänftigt und er lächelte mich betrübt an. Nachdem wir ausgestiegen waren, nahm er meine Hände und meinte verlegen: „Entschuldige, wenn ich mich so aufgeregt habe. Man kann sich seine Familie nicht aussuchen … seine Freundin schon.“
    Sein Kuss verwirrte mich, ich hatte nicht damit gerechnet, nicht in diesem Moment, und seine Launenhaftigkeit erschreckte mich ein wenig. Nichtsdestotrotz war ich froh, meinen Yannick wiederzuhaben und sprach das Thema lieber nicht an. Ich wollte uns schließlich den Abend nicht verderben.
    Im Restaurant ließ ich mich zu einer Vorspeise und zu einem Dessert überreden, was ich später bereuen sollte, da ich es nicht gewohnt war, abends so viel zu essen. Wir blieben noch lange nach dem Essen sitzen. Seine blauen Augen ruhten die ganze Zeit auf mir und er hielt meistens meine Hand. Zu meiner Überraschung war er total neugierig auf meine Mutter.
    „ Sie war schön, sehr schön“, fing ich an.
    „ Daran habe ich nie gezweifelt“, sagte er lächelnd.
    „ Mehr als das: Sie war wunderschön“, korrigierte ich mich.
    Kopfschüttelnd schaute er mich amüsiert und dennoch ungläubig an.
    „ Nein, wirklich. Ich übertreibe nicht. Irgendwann zeige ich dir ein Foto. Sie hatte etwas Mystisches. Du wirst mich albern finden, und ich werde jetzt etwas sagen, was mir zuvor nicht einmal in den Sinn gekommen ist. Vielleicht komme ich darauf, weil du vor Kurzem über ägyptische Mythologie gesprochen hast, aber ihre Erscheinung erinnerte mich an eine Göttin. Sie hatte lange, schwarze, glatte Haare, feine Gesichtszüge, eine gerade Nase und einen seltsamen Teint, fast wie Bronze. Ihre Haut wurde nicht richtig hell im Winter, aber auch nicht richtig braun im Sommer, egal wie lange sie in der Sonne blieb. Sobald sie einen Raum betrat, zog sie alle Blicke auf sich. Ich habe nichts von meiner Mutter, weder ihr Aussehen noch ihre Anmut noch ihre Geschmeidigkeit. Vor meiner Geburt war sie Tänzerin gewesen. Als ich auf die Welt kam, hat sie angefangen zu klettern, lange bevor es zu einem Modesport wurde. Ich glaube, sie hat einfach einen Ausgleich gebraucht. Als wir in die Normandie gezogen sind, hat sie wieder angefangen zu tanzen. Na ja, mehr oder weniger … Eigentlich hat sie mehr unterrichtet, Ballett und Jazz Dance.“
    „ Also hast du doch was von ihr.“
    „ Um Gottes willen, nein! Ich habe den Rhythmus, das ist alles. Als ich klein war, habe ich versucht zu tanzen, es war die reine Katastrophe. Ich hatte echte Koordinationsprobleme. Meine Mutter war unglaublich agil. Außerdem war sie witzig, liebevoll, großzügig, verständnisvoll … sie fehlt mir.“
    Meine Stimme verlor ihre Heiterkeit und fing an zu zittern.
    „ Entschuldige die Nachfrage.“
    „ Du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen. Ich bin froh, dass ich wieder über sie sprechen kann. Aber manchmal tut es immer noch weh.“
    „ Sollen wir noch ein bisschen spazieren gehen, um das Essen zu verdauen?“
    „ Sehr gute Idee!“, räumte ich ein.
    Die Luft war kühl geworden. Glücklicherweise hatte ich eine Jacke mitgenommen. Da ich vorhatte, am nächsten Tag wieder herzukommen, um mir Kleider zu kaufen, suchte ich die Straßen nach Geschäften ab. Keine Frage! Paris oder Genf mit Yannick wären mir lieber gewesen, leider … Ich tröstete mich damit, dass sich Genf vielleicht in wenigen Tagen verwirklichen lassen würde. Was hätte ich gegeben, um mit Yannick nach Paris zu gehen!
    „ Wann fährst du morgen früh?“, erkundigte ich mich.
    Meine Frage blieb unbeantwortet. Plötzlich riss mich Yannick mit einer ruckartigen Bewegung hinter sich, ohne meine Hand freizugeben. Wie ein Schutzschild stellte er sich vor mich. Erst da bemerkte ich die zwei Männer, die uns bedrohten. Sie hatten ein sadistisches Lächeln auf ihren Lippen und einer von ihnen hielt sogar ein Messer in der Hand.
    „ Ruhig bleiben, Lilly“, flüsterte Yannick. „Dir geschieht gar nichts, glaube mir. Ich lasse jetzt deine Hand los. Du versprichst mir aber, dicht hinter mir zu bleiben. Und vor allem: Bleib ruhig.“
    „ Ich bin ruhig.“
    Na ja, fast, denn mein Herz schlug heftiger als sonst, aber angesichts unserer Lage fand ich meine Gelassenheit doch

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