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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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kannst?“
    „ Ich verbringe sie mit einem Mädchen, das mir nicht aus dem Kopf gehen will.“
    Sein Kuss verriet mir, wer dieses Mädchen war.
    Wir gingen fast zwei Stunden spazieren. Hin und wieder machten wir eine Pause, um uns im Gras auszuruhen. Als wir uns wieder in der Nähe des Hauses befanden, beschloss ich mich umzuziehen. Ich kam gar nicht dazu, ihn zu fragen, ob er mitwollte, denn er küsste mich flüchtig für den kurzen Abschied.
    „ Nimm dir Zeit, ich gehe zur Felswand, ein wenig klettern.“
    Ehe ich etwas entgegnen konnte, war er weg. Fassungslos musste ich an den Vorabend denken, als er mich überstürzt verlassen hatte. Wieder hatte ich ein komisches Gefühl, versuchte es jedoch zu verdrängen.
    Als ich zu Hause ankam, lag meine Großmutter im Schatten des Apfelbaums. Ich leistete ihr ein wenig Gesellschaft, bevor ich unter die Dusche ging. Den Inhalt meines Schrankes wieder und wieder zu betrachten, änderte nichts an der Tatsache, dass ich nichts zum Anziehen hatte. Ich konnte meine Klamotten noch so lange anschauen, sie würden sich nicht vermehren. Beim Packen meines Koffers konnte ich nicht ahnen, dass ein gut aussehender junger Mann mich zum Essen ausführen würde. Das schwarze Kleid, das ich für meinen Geburtstag mitgenommen hatte, wäre perfekt gewesen. Leider waren wir mit dem Motorrad unterwegs, also kam es nicht infrage. Meine Wahl fiel auf eine Jeans und eine schwarze Bluse. Ausnahmsweise schminkte ich mich, vielleicht würde er ja so über den Altersunterschied hinwegsehen.
     

    Yannick kletterte gerade die Wand herunter, als ich am Kletterfelsen ankam. Da ich ihn nicht ablenken wollte, setzte ich mich ins Gras und schaute ihm zu. Leider trug er ein T-Shirt. Plötzlich sprang er zu Boden und ich auf meine Füße. Als er sich näherte, brachte sein leuchtender Blick den Muskel in meiner Brust schon wieder zum Toben. Ich fragte mich, wie lange er eine solche Wirkung auf mich haben würde, und hoffte nur: sehr lange.
    „ Bist du schön.“
    Es war nur ein Flüstern in meinem Ohr, dennoch blieb mein Herz kurz stehen. Ich war gerade von „hübsch“ zu „schön“ befördert worden. Anscheinend hatte das Schminken seinen Zweck erfüllt. Yannicks Hand verschwand in meiner Mähne.
    „ Du hast sie nicht gebürstet. Ich liebe sie, wenn sie so lockig sind. Sie riechen gut.“
    Er sog ihren Geruch ein, ehe sein Mund meinen suchte. Auf einmal bezweifelte ich, dass der Strich Kayal wirklich einen Beitrag geleistet hatte; allerdings glaubte ich jetzt zu wissen, was ich tun musste, um meinem Freund richtig zu gefallen: Drei Mal am Tag die Haare waschen, ohne sie zu bürsten. Dumm, dass es sich nicht mit dem Fahren auf zwei Rädern vereinbaren ließ, denn mit oder ohne Helm, es gab nichts Schlimmeres für meine Locken.
    Als er mir meinen Helm reichte, konnte ich nicht widerstehen, und fragte neckisch: „Bist du sicher, dass ich ihn tragen darf? Er wird ja meine Haarpracht ganz zerdrücken.“
    „ Macht nichts, ich stelle dich zu Hause gleich unter die Dusche“, sagte er lächelnd.
    „ Mit dir?“
    „ Hättest du wohl gerne!“
    Ich sah ihn an und lächelte.
     

    Bei ihm angekommen, schenkte er uns etwas zum Trinken ein, Kaffee für ihn, Orangensaft für mich. Dann legte er selbstverständlich eine CD ein: Bruce Springsteen. Als ich ihm ins Badezimmer folgen wollte, um den Schaden an meinem Haar zu begutachten, machte er mir die Tür vor der Nase zu und sagte dabei: „Du bist sehr schön, so wie du bist.“
    Resigniert ging ich in sein Zimmer und holte die Schachtel mit den Bildern wieder aus dem Regal. Er hatte ja gesagt, ich dürfte mir welche aussuchen, also überlegte ich, welche ich nehmen sollte. Meine Wahl fiel natürlich auf ein Foto an der Felswand, ein Ort, der uns verband. Ich nahm eins, das nicht retuschiert worden war, denn ohne Horus’ Auge wäre Yannick nicht irgendwie nicht Yannick gewesen. Ansonsten entschied ich mich für ein Bild, auf dem er eine Jeans und ein weißes T-Shirt trug. Yannick, so wie ich ihn kannte, mit weißem oder schwarzem Oberteil. Ich begutachtete Fotos, auf denen er Unterwäsche präsentierte. Bisher hatte ich ihn nur einmal ganz kurz in Unterhose gesehen. Ich mochte seinen Körper, wollte aber keins von den Bildern an mich nehmen. Ich fand sie zu gestellt.
    Ehe ich die Schachtel wieder wegräumte, warf ich noch einmal einen Blick auf diese Frau, die ihm so viel bedeutet hatte. Sie hatte langes lockiges Haar, ein bisschen wie meins, viel schöner

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