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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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sein. Ich werde gerade hoch genug steigen, um das Runterklettern zu üben.“
    Ich war zirka vier Meter vom Boden, als sich Manuel meldete:
    „ Lilly, es reicht. Ich habe gesehen, wie toll du das kannst. Komm jetzt runter.“
    „ Noch ein bisschen, sonst kann ich gar nichts üben.“
    „ Bitte Lilly. Ich kriege sonst noch Höhenangst nur vom Zugucken.“
    „ Lass mich! Du lenkst mich ab. Ich muss mich konzentrieren.“
    Yannick hatte Recht, je höher man war, umso leichter wurde es. Die Felsoberfläche wurde grob und bot durch die vielen Einkerbungen etliche Griffe und Tritte. Ich war geneigt, die Wand bis zu Yannicks Lieblingsaussichtspunkt zu erklimmen, hörte jedoch auf seinen Rat. Abgesehen davon wollte ich Manuel einen Herzinfarkt ersparen. Langsam und vorsichtig kletterte ich runter. Als ich keinen sicheren Halt mehr fand, und nicht mehr wusste, wohin mit dem Fuß, warnte ich Manuel: „Vorsicht! Ich springe.“
    „ Du willst doch nicht …“
    Auf allen Vieren landete ich auf dem weichen Boden, ehe er den Satz zu Ende gesprochen hatte. Er nahm meinen Arm, um mir beim Aufstehen zu helfen.
    „ Wie geht es dir? Hast du dir wehgetan?“
    „ Natürlich nicht. Eine Katze fällt immer auf ihre Füße. Noch nie gehört?“
    „ Du bist genauso verrückt wie er. Er wird dich noch umbringen.“
    „ Hör doch auf mit dem Quatsch!“
    Ich ging zur Decke zurück, trank etwas und zog meine Hose aus. Als ich meine Sonnencremes auspackte – Sunblocker für das Gesicht und Schutzfaktor dreißig für die anderen Körperpartien – sah mich Manuel entgeistert an.
    „ Damit wirst du bestimmt nicht braun. Wehe du schmierst mir etwas auf die Haut. Ich habe keine Lust, irgendwelche Flecken zu bekommen.“
    „ Keine Sorge, ich werde deinen schönen Teint schon nicht ruinieren. Ich habe eben keinen Bock auf einen Sonnenbrand. Wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich ein bisschen lesen.“
    „ Und was mache ich?“
    „ Ich habe dir auch ein Buch mitgenommen, für alle Fälle.“
    Auf dem Bauch liegend fing ich an zu lesen.
    „ Lilly“, unterbrach Manuel meine Lektüre nach … War überhaupt eine Minute vergangen?
    „ Was?“
    „ Weißt du, dass du in der Sonne rote Strähnen hast?“
    Er ließ mein Haar zwischen seinen Fingern hindurchgleiten.
    „ Ja, danke! Schön, dass du mich daran erinnerst.“
    „ Würdest du mir eine Locke geben?“
    „ Du hast schon eine.“
    „ Die ist aber blond, dein Haar ist viel dunkler jetzt. Wann hast du sie mir gegeben? Vor sechs, sieben Jahren?“
    „ Hm, kann sein.“
    „ Ich bin mir sicher, in ein paar Jahren wirst du gar keine Strähnen mehr haben. Du solltest welche zur Erinnerung behalten.“
    „ Hm.“
    „ Lilly.“
    Oh Mann! Ich hatte keine Seite lesen können. Schlimmer, ich hatte bereits vergessen, was ich gerade gelesen hatte, und konnte von vorne anfangen.
    „ Was denn?“, sagte ich genervt.
    „ Meine Locke, hast du sie immer noch?“
    „ Klar, in der Schachtel, neben meiner.“
    Zum ersten Mal wandte ich den Blick von meinem Buch ab und schaute ihn an.
    „ Weißt du, dass meine Mutter deine Locken geliebt hat. Sie sagte immer, die würden jede Frau neidisch machen, und sie hatte Recht.“
    „ Ich verstehe euch Frauen nicht, angefangen bei dir und deiner Mutter. Na ja, eigentlich kenne ich so viele nicht. Ich habe aber den Eindruck, dass selbst die schönsten nicht mit sich glücklich sind. Glatte Haare statt lockig, schwarz statt blond, oder umgekehrt; zu viel auf den Rippen, obwohl man sie zählen kann; zu helle Haut und das Allerschlimmste: diese hässlichen Sommersprossen.“
    Sein Daumen fuhr dabei über meine Wange.
    „ Mach dich nur über mich lustig. Sie stören mich nur im Sommer. Kennst du viele Rothaarige, die darüber glücklich sind?“
    „ Du bist doch keine Rothaarige. Wäre dein Haar orange, würde ich es noch verstehen. Obwohl ich mir sicher bin, dass du mir trotzdem gefallen würdest. Warte mal ab, in ein paar Jahren, wenn sie ganz dunkel sind, wirst du deine schönen Strähne vermissen.“
    „ Klar“, sagte ich ohne große Überzeugung und versuchte weiterzulesen.
    Nach zirka zehn Minuten kitzelte es in meiner Kniekehle. Ich winkelte mein Bein an, um die Fliege zu verjagen. Kaum war es wieder gestreckt, juckte es schon wieder. Ich schaute über die Schulter. Als ich den Grashalm in seiner Hand sah, begriff ich, dass Manuel der Übeltäter war. Ich fragte ihn, ob ihm langweilig sei.
    „ Nein, ich gucke dir zu.“
    „ Mit Gras?“
    „

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