Im Morgengrauen
Es hat zwar mit eurer Madrugada nichts zu tun. Ehrlich gesagt, wusste ich nicht einmal, was dieses Wort bedeutet. Es handelt sich um eine norwegische Gruppe, die ich gerne höre. Ich könnte mir vorstellen, dass sie dir auch gefällt.“
Wir gingen in den Wagen, wo er das Lied
Blood Shot Adult Commitment
laufen ließ. Ich hätte mir am liebsten das ganze Album angehört, Yannick konnte aber keine Ruhe finden und bat mich, mir eine Jacke zu holen, um spazieren zu gehen.
„ Willst du dir die Beine vertreten oder patrouillieren?“
„ Wir könnten das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.“
Warm eingepackt, gingen wir Hand in Hand ums Haus. Wir drehten eine Runde; dann eine zweite, und obwohl Yannick sich bemühte, die Gegend nicht offensichtlich abzusuchen, fiel mir seine Wachsamkeit auf. Wir waren gerade zum dritten Mal hinterm Haus angekommen, als sein Handy klingelte.
„ Ich habe dich gesehen, danke!“, antwortete er dem Anrufer. „Loïc steht Schmiere … hinter den Bäumen“, erklärte er mir, nachdem er aufgelegt hatte. „Eine Sorge weniger.“
Falls er mich damit beruhigen wollte, war das weit gefehlt. Yannick musste mein Unbehagen gespürt haben, denn er blieb stehen. Seine Augen brachten mich zum Schmelzen. Sein Kuss tat den Rest.
„ Du lässt dich ablenken“, flüsterte ich, als er meinen Mund freigab.
„ Von wegen … Alles Taktik! Hat deine Großmutter nicht gesagt, wir sollen zeigen, was wir füreinander empfinden?“
„ Glaubst du wirklich, dass wir beobachtet werden?“
„ Nein, aber jeder Vorwand ist mir recht, um dich zu küssen.“
„ Idiot! Als bräuchtest du einen.“
„ Ich liebe dich auch.“ Was mir seine Lippen tatkräftig bewiesen.
Als es dunkel wurde, gingen wir wieder hinein. Bis Mitternacht hielt Yannick mit mir Wache. Da Manuel ihn gegen vier wecken sollte, wollte er versuchen, bis dahin zu schlafen. Als mir bewusst wurde, dass ich ganz allein die Verantwortung für die Wache trug, fand ich es nun beruhigend zu wissen, dass jemand da draußen zusätzlich auf uns achtgab. Meine Großmutter war nicht mehr aufgetaucht, seit sie vom Esstisch aufgestanden war. Ich fragte mich, was sie wohl tat. Während unseres Rundgangs war mir aufgefallen, dass sie eine Zeitlang am Fenster gestanden hatte. Würden wir auf sie zählen können, wenn es hart auf hart käme? Oder war sie wieder in ihre Lethargie verfallen? Ich war auf das Schlimmste gefasst.
Gegen halb zwei ging ich erleichtert in Manuels Zimmer, um ihn zu wecken. Meine Wache war rum und nichts war geschehen. Er schlief tief und fest. Ich nutzte die Gelegenheit, um seine seidigen Locken zu streicheln. Wie auch immer diese Nacht enden sollte, würde ich nie mehr die Gelegenheit haben dies zu tun, zumindest nicht unbemerkt.
„ Manu, aufwachen“, sagte ich leise und tippte dabei leicht seine Schulter an.
Knurrend drehte er sich um.
„ Manuel, du bist dran“, rüttelte ich ihn sanft.
„ Hm … guten Morgen Lilly“, mit verschlafener Stimme kuschelte er sich unter seiner Decke.
„ Soll ich dir einen Kaffee machen?“
„ Hm.“ Ich nahm das für ein Ja.
„ Schlaf aber nicht wieder ein!“
Bevor ich mich in die Küche begab, lief ich noch einmal an allen Fenstern vorbei, um mich davon zu überzeugen, dass draußen nichts lauerte – bis auf Jeremy und seine Kumpanen. Als der Kaffee tröpfelte, ging ich zurück zu Manuel. Ich hätte gewettet, dass er wieder dem Schlaf anheimgefallen war. So war es.
„ Manuel, bitte … ich möchte auch ins Bett. Ich drehe jetzt schon seit sechs Stunden meine Runden.“
Langsam richtete er sich auf und setzte sich neben mich auf die Bettkante. Er bat mich um Entschuldigung, bevor er mir einen Kuss auf die Wange drückte.
„ Wann ist Yannick ins Bett gegangen?“
Es war das erste Mal, dass er seinen Namen ohne „dein“ sagte. Fing er etwa an, ihn sympathisch zu finden? Ich hoffte es.
„ Gegen Mitternacht.“
„ Geh ins Bett, ich bin jetzt wach und außerdem groß genug, um mir den Kaffee selber einzuschenken.“
„ Du kannst dich auf die großen Fenster konzentrieren. Die Rückseite wird von Freunden von Yannick überwacht.“
„ Und was hat er ihnen bitte schön gesagt?“
Sein Ton verriet, dass die Vorstellung, dass Fremde hineingezogen wurden, ihm ganz und gar nicht behagte.
„ Keine Ahnung.“
Keine Lust
wäre zutreffender gewesen. Ich wollte keine Erklärungen abgeben, und schon gar nicht um diese Uhrzeit. „Ich gehe jetzt ins Bett.“
„
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