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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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also eine Madrugada aus: Eine Person klingelte an der Tür und versuchte, das Vertrauen der Leute zu gewinnen, um den Weg für die Wölfe freizumachen, die dann das Urteil vollstreckten.
    „ Überrascht?“, fragte Yannick laut.
    „ Hallo Alain!“, rief Jeremy von der anderen Seite. „Schon lange nicht mehr gesehen. Immer noch im Dienst des Rates unterwegs, wie ich sehe.“
    Der Angesprochene wandte sich der Stimme zu und entdeckte das, was der Wolf ihm hatte zeigen wollen.
    „ Misch dich da nicht ein, Jeremy“, bat er ihn. „Das ist sowas wie eine Familienangelegenheit.“
    „ Ihr habt aber eine seltsame Art, mit euren Leuten umzugehen. Wenn ich euch aber alle so betrachte, habe ich meine Zweifel, dass ihr verwandt seid“, antwortete dieser in einem spöttischen Ton. „Aber du hast keine Ahnung, wie richtig du liegst, wenn du meinst, es wäre ein familiäres Anliegen. Stell dir vor, mein kleiner Bruder hat sich in eine Katze verguckt. Ich bin zwar nicht begeistert, er bleibt aber mein Bruder, und wer sich mit ihm oder seiner Freundin anlegt, bekommt es mit mir zu tun.“
    „ Du willst doch nicht den Frieden wegen dieser Kreaturen gefährden?“
    „ Und was bist du?“, griff Yannick ein. „Die Frage ist, ob ihr den Frieden gefährden wollt, nur um sie zu eliminieren. Wollt ihr wirklich riskieren, euch die Therianthropen und die Jäger zum Feind zu machen? Deine Vollstrecker da“, er wies mit der Waffe auf die Wölfe, „wissen sie überhaupt, wieso zwei junge Leute und eine ältere Frau heute Morgen sterben sollten? Dass sie gar nichts verbrochen haben? Dass die Älteren nur Angst haben, sie könnten sich paaren. Wenn das der wahre Grund für die ganze Aktion ist, kann ich dich beruhigen, sie ist nicht mit einem Wolf zusammen, sondern mit einem Jäger.“
    „ Wir haben Zeugen, die etwas anderes behaupten“, konterte Alain.
    „ Was haben sie gesehen? Dass sie Zärtlichkeiten austauschen. Na und? Sie haben seit Jahren eine enge Bindung … nichts weiter. Eure Befürchtungen sind also nicht berechtigt. Selbst wenn es so wäre, ihr könnt doch nicht zwei junge Leute wegen ihrer Beziehung zueinander töten. Ich will euch nicht raten, ihnen nur ein einziges Haar zu krümmen. Es wäre eine Kriegserklärung an die Jäger, aber auch an die Therianthropen. Ihr glaubt doch nicht, dass sie sich das noch lange gefallen lassen.“
    „ Hat jetzt dein kleiner Bruder das Sagen?“, wollte Alain von Jeremy wissen.
    „ Wenn du wüsstest … Den Frieden verdankt ihr meinem Bruder und meinem Vater. Ich habe mich nur zurückgehalten, weil ich es ihnen versprochen habe. Hätte ich Yannick mein Wort nicht gegeben, dass ich euch laufen lasse, wäre ich gar nicht hier. Ihr solltet wegrennen so schnell ihr könnt, bevor ich meine Meinung ändere. Meine Finger fangen schon an zu jucken. Du kannst den Älteren sagen, dass ich eine ganze Armee hinter mir habe. Wagt es ja nicht, einen von uns anzurühren, ihr würdet es bereuen.“
    „ Wir sehen uns noch“, rief Alain.
    „ Ich kann es kaum erwarten“, antwortete Jeremy höhnisch.
    Die Wölfe wichen ganz langsam zurück. Die meisten von ihnen behielten uns dabei ständig im Auge, als hätten sie Angst, wir würden sie auf dem Rückzug angreifen.
    „ Loïc, Vincent, könnt ihr draußen bleiben und aufpassen?“, bat Jeremy. „Ich glaube zwar nicht, dass sie zurückkommen, aber man weiß ja nie. Ich muss kurz mit meinem Bruder reden.“
    Bis auf die zwei Wächter betraten wir alle das Haus. Erleichtert bedankte sich Yannick bei seinem Bruder.
    „ Du wirst zugeben, dass ich brav war“, meinte dieser. „Was soll’s. Ich habe Papa versprochen, auf dich aufzupassen … auch wenn du Dummheiten machst.“
    Bei diesem Wort fiel sein Blick auf mich. Ich war offensichtlich die Dummheit.
     

24
     

     

     

     

    Meine Großmutter, Manuel und ich gingen in unsere Zimmer, um wieder in unsere menschlichen Hüllen zu schlüpfen. Auf dem Weg zur Küche traf ich auf Manuel, der nichts anderes am Leib hatte als seine Shorts, so, als ob er damit rechnete, sich jederzeit wieder verwandeln zu müssen. Fürchtete er die Rückkehr der Wölfe, oder machte ihn nur die Anwesenheit der Jäger nervös? Als ich seinen fast nackten Körper betrachtete, fragte ich mich, ob seine Muskeln das Erbe seiner Herkunft waren, oder ob er sie ausschließlich seiner körperlichen Arbeit auf dem Hof zu verdanken hatte. Eins war sicher, mein schöner Stallknecht sah keinesfalls wie sechzehn aus. Er kam zu mir

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