Im Morgengrauen
wenn man dich anschaut?“, wollte Marie wissen.
„ Es kommt darauf an, wer“, meinte er.
Bei jeder Antwort warf er mir einen Blick über den Rückspiegel zu.
„ Ist ja nicht schlimm“, fuhr Marie fort, „du hast ja noch ein Motorrad, oder?“
„ Zwei“, verbesserte er sie.
„ Also bist du reich?“
„ Nein, nicht wirklich.“ Er riss sich zusammen, um nicht zu lachen.
„ Eine solche Frage stellt man nicht, das ist unhöflich“, schaltete sich meine Großmutter ein und sah dabei Manuel an.
Es war offensichtlich, dass die Wendung der Unterhaltung ihm keineswegs gefiel. Er musste erleichtert sein, als Yannick zum Tanken anhielt. Marie und meine Großmutter nahmen die Gelegenheit wahr, um auf die Toilette zu gehen.
Manuel hatte kein einziges Wort gesagt, seit wir unterwegs waren. Also fragte ich ihn, ob er seine Eltern erreicht hätte. Anscheinend war seine Mutter immer noch nicht zurück. Sein Vater wusste von unserer Rückkehr, allerdings ohne Details. Manuel hatte eine schlechte Verbindung vorgetäuscht, um auflegen zu können. Während er sprach, konnte ich sein Unbehagen spüren. Ich schnallte mich los, um ihn anschauen zu können, und bot ihm an, die Plätze zu tauschen. Er bezweifelte, dass er sich hinten besser fühlen würde.
Als ich aus dem Fenster schaute, hatte ich den Eindruck, Yannick und sein Bruder würden über mich sprechen. Sie umarmten sich schließlich und Jeremy winkte dann in unsere Richtung, um sich von weitem zu verabschieden. Während er in seinen Wagen stieg, wollte Yannick die Tankstelle betreten. Er wurde aber von meiner Großmutter an der Tür abgefangen. Anscheinend hatte sie bereits die Tankfüllung beglichen. Verlegen holte Yannick seine Brieftasche raus. Vergeblich, denn sie wollte sein Geld nicht annehmen.
Bis auf Marie, die hin und wieder eine unangenehme Frage stellte, blieb die Rückfahrt eher ruhig. Da meine Schwester anwesend war, konnten wir keine Entschuldigung für unsere frühzeitige Rückkehr zusammen austüfteln.
Folk und Blues machten das Schweigen erträglicher. Yannick verzichtete auf Rock, vermutlich, um die Ohren meiner Großmutter zu schonen.
Mittags gab es Marie zuliebe wieder Fastfood. Für meine Großmutter war das eine Premiere. Glücklicherweise war der Verkehr nicht so dicht wie bei der Hinfahrt und wir näherten uns unserem Ziel gegen fünfzehn Uhr. Yannick zuckte zusammen, als ich sagte, er sollte Richtung
Faucon
fahren.
„ Du wohnst in einem Dorf, das
Falke
heißt?! Wenn das kein weiteres Zeichen ist … Übrigens, wie ist dein Nachname, damit ich deinen Vater ansprechen kann? Ich möchte einen guten Eindruck machen.“
„ Fabre. Ich glaube aber nicht, dass er um die Zeit zu Hause ist … Wir sind da.“
„ Hey, das ist ja ne Villa!“, pfiff er durch die Zähne, als er den Wagen vor dem Haus parkte.
„ Hat mein Vater entworfen, er ist Architekt.“
25
Marie rannte in den Garten, um den Schlüssel zu holen. In der Regel befand sich einer unter einem Blumentopf. Enttäuscht kam sie mit leeren Händen zurück. Anscheinend hatte ihn mein Vater weggenommen. Wieso auch nicht, seine duseligen Töchter sollten schließlich gar nicht da sein. Manuel bot sich an, den Reserveschlüssel, der bei ihnen deponiert war, zu holen. Mit seinem Gepäck auf dem Rücken lief er Richtung Pferdestall.
Kaum war er weg, nahm mich Yannick in die Arme, um mich ausgiebig zu küssen, als hätte er nur darauf gewartet, dass Manuel sich entfernte. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Marie uns dabei die ganze Zeit beobachtete, und forderte sie auf, uns nicht derart anzustarren.
„ Selber schuld, wenn ihr auf der Straße rumknutscht. Seid ihr verliebt?“
„ Wie sieht es deiner Meinung nach denn aus?“, fragte ich genervt.
Einmal mehr verkniff sich Yannick das Lachen. Wenigstens einer, der meine kleine Schwester amüsant fand.
Die Rückkehr von Manuel beendete die Diskussion. Er hatte seinem Vater versprochen, wir würden kommen, um den Pferden Bewegung zu verschaffen. Aurelie, die bei den Martinez stets auf Abruf aushalf, wollte früher nach Hause. Meine Großmutter freute sich über die Gelegenheit, sie war schon eine Ewigkeit nicht mehr geritten.
„ Was ist mit dir, schon mal auf einem Pferd gesessen?“, fragte ich Yannick.
„ Noch nie“, musste er zugeben.
„ Macht nichts“, mischte sich Marie ein. „Du wirst sehen: Ist ganz einfach.“
Vollbepackt marschierten die Jungs ins Haus. Ich führte Yannick zu meinem
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