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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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mich betraf, war ich in ihn eingedrungen. Wider Erwarten hatte ich keinen Hass gespürt … Verwunderung ja, aber weder Aversion noch Feindseligkeit. Alles in allem war ich froh, dass ich ihn berührt hatte. Zwar hatte ich keine Sympathie wahrnehmen können, aber auch nichts Negatives, als ob ich ihm gleichgültig wäre, was ich in Anbetracht der Geschehnisse der letzten Tage ziemlich beruhigend fand.
    Yannick lockerte seine Umarmung und gab mir einen flüchtigen Kuss, ehe er mir ihre Überlegungen mitteilte: „Wir denken, es wäre besser, für einige Zeit das Haus zu verlassen. Es könnte sein, dass sie mit Verstärkung zurückkommen. Du packst am besten deine Sachen, sobald du gefrühstückt hast. Ich gehe mit Jeremy raus, um Loïc und Vincent abzulösen, damit sie ebenfalls etwas essen können. Dann holen wir Marie ab sowie ein paar Sachen aus meiner Wohnung. Mein Bruder wird uns einige Kilometer begleiten, um sicherzugehen, dass wir nicht verfolgt werden.“
    „ Was werden wir meinem Vater erzählen?“
    „ Darüber können wir uns den Kopf im Auto zerbrechen. Iss jetzt was.“
    Bei diesen Worten bot er mir seinen Stuhl an. Gefolgt von Jeremy verließ er den Raum. Meine Großmutter lief hinterher. Ich hörte noch, wie sie Yannick ansprach, bedauerlicherweise nichts weiter.
    Bald kam sie mit unseren Wächtern zurück. Kaum hatten sich die Männer hingesetzt, stand Manuel unter dem Vorwand auf, er müsse jetzt packen. Ehe er die Küche verließ, dankte er Loïc und Vincent mit einer kurzen Handbewegung. Eine erdrückende Stille erfüllte die Küche. Ich war erleichtert, als mein Teller endlich leer war und ich mit derselben Ausrede flüchten konnte.
    Nachdem ich alle meine Sachen sowie die von Marie gepackt hatte, ging ich hinaus und lief Jeremy in die Arme. Ich brachte ein gezwungenes Lächeln zustande. Dann sah ich Yannick. Diese Augen! Sie ließen mich alles vergessen. Ich fragte mich, ob sie noch lange eine solche Wirkung auf mich haben würden … oder besser gesagt, ob sie mich ewig mit derselben Intensität anschauen würden. Ich hoffte es. Yannick kam mir langsam entgegen, nahm mich in die Arme und befreite mein Haar von dem Gummi, um es besser durchwühlen zu können.
    „ Sorry, keine Mähne.“
    „ Dann will ich dich nicht mehr“, sagte er mit einem Lächeln, schob mich dabei von sich weg, um mich eine Sekunde später wieder an sich zu ziehen und leidenschaftlich zu küssen.
    „ Das nennst du Wache halten?“
    Jeremys Stimme klang nicht vorwurfsvoll, eher amüsiert, und Yannick ließ sich nicht davon ablenken, ganz im Gegenteil.
    „ Du wirst mich doch nicht vor deinem Bruder ausziehen?“, bremste ich ihn, als die kühle Luft Taille und Rücken streichelte.
    Die Morgenfrische, seine Küsse und seine Berührungen brachten mich zum Erzittern und sofort kam mir das Zusammentreffen mit seinem Nachbarn wieder in den Sinn.
    „ Nein, entschuldige. Ich musste dich fühlen. Ich bin nur so glücklich, dass dir nichts passiert ist. Lilly, … würdest du mit mir nach Paris kommen? … Ich meine, würdest du mit mir dort leben wollen?“
    Ich war erstmal sprachlos, geschmeichelt, aber perplex. Ein junger Mann, den ich erst seit ein paar Tagen kannte, fragte mich, ob ich mein Leben mit ihm teilen mochte. Statt das Für und das Wider abzuwägen, musste ich sofort an meinen Vater denken. Er würde niemals zustimmen.
    „ Meinst du nicht, es geht alles ein bisschen schnell? Wir kennen uns kaum.“
    „ Finde ich nicht. Es macht mich wahnsinnig, daran zu denken, dass wir bald getrennt sein werden. Ich kann nicht weit weg von dir mein Leben leben und so tun, als gäbe es dich nicht. Und schon gar nicht, wenn ich weiß, dass du in Gefahr bist.“
    „ Mein Vater wird nie einverstanden sein.“
    „ In ein paar Tagen bist du volljährig.“
    „ Es wird aber nichts ändern. Ich werde nicht einfach gehen und die Tür hinter mir zuschlagen. Das kann ich nicht.“
    „ Das musst du auch nicht. Du musst dich ja nicht mit ihm verkrachen, wir haben ein paar Wochen, um ihn zu überreden.“
    „ Und was ist mit der Schule?“
    „ Was soll damit sein? Stell dir vor, in Paris gibt es jede Menge davon. Natürlich würdest du weiterhin zur Schule gehen, und bilde dir nicht ein, dass du dann schwänzen dürftest. Ich würde hinter dir her sein – in jeder Beziehung“, fügte er verschmitzt hinzu.
    „ Und wovon sollen wir leben?“
    „ Ich habe es bisher immer geschafft, das werden wir auch zusammen. Ich werde öfter

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