Im Namen der Gerechtigkeit - Roman
die richtige Entscheidung getroffen haben.»
«Na, herzlichen Dank für diese Bestätigung», sagte Doni lächelnd. «Ich fühle mich tatsächlich etwas fehl am Platz.»
Sie kicherte.
«Anfangs fühlen sich hier alle fehl am Platz. Sie werden sich dran gewöhnen.»
«Nein, ich meinte, in dieser Situation.»
«Das läuft auf dasselbe hinaus», sagte Elena.
Sie wurden links von einem Auto auf der Busspur überholt. Plötzlich schnellte Elenas Arm in die Höhe, und sie schüttelte den Kopf.
«Sieh dir diesen Scheißkerl an.» Sie wandte sich zu Doni. «Entschuldigen Sie.»
«Keine Ursache. Sagen Sie, wohin fahren wir eigentlich?»
«Ans Ende der Straße, in die Gegend am Naviglio della Martesana. Wir haben eine Verabredung mit zwei von Khaleds Kollegen, die in Kürze von der Baustelle kommen müssten.»
«Sind sie auch Maurer?»
«Ja, aber sie arbeiten schwarz. Wie es gerade kommt. Sie bekommen ihre Aufträge von einem Tag auf den anderen, und meistens stehen sie früh auf, weil fast alle Jobs außerhalb der Stadt anfallen. Im Umland, in Brianza, manchmal auch in der Gegend von Brescia.»
Doni nickte, dann fragte er: «Sie sind ja wohl keine Mörderin, oder?»
Wieder brach Elena in Lachen aus. Es war ein schönes Lachen: frisch und explosiv. Doni war es nicht mehr gewohnt, jemanden lachen zu hören.
«Nein, wohl eher nicht.»
«Und Sie sind auch nicht die Komplizin der Täter.»
«Garantiert nicht.»
«Dann bin ich ja beruhigt.»
«Das freut mich.»
«Ich dürfte noch nicht einmal hier sein, das wissen Sie doch, oder?»
«Allerdings, das weiß ich. Und die Tatsache, dass Sie hier sind, bestätigt nur einmal mehr, dass Sie ein durch und durch außergewöhnlicher Mensch sind.»
Donis Gesicht verfinsterte sich.
«Leere Komplimente geben mir nichts», sagte er.
«Das sollte kein Kompliment sein.» Sie sah ihn an. «Außergewöhnlich im Sinne von: eine Ausnahme von der Regel. Mehr nicht.»
«Ausnahmen ja, Fehler nie», sagte Doni. «Das ist ein altes Motto von mir.»
«Na wunderbar. Dieser Besuch passt da genau hinein.»
Sie schwiegen, Doni schaute aus dem Fenster. Soeben hatten sie einen Kreisverkehr umrundet – flüchtig las er den Namen Via Predabissi – und fuhren in einem gemächlichen Tempo weiter geradeaus. Auf der rechten Seite bot sich ein eintöniges Bild: ein Dönerladen, eine China-Bar, eine Fleischerei, ein Café, eine Eisdiele, ein Haushaltswarengeschäft, eine China-Bar, ein Dönerladen, eine Konditorei, ein Café, eine Fleischerei, ein Spielsalon, ein nicht näher beschildertes Geschäft.
Doni registrierte Einzelheiten. Zwei Pensionäre tranken Wein vor einer Trattoria, das Mailänder Wappen, seit 1910 . Junge Nordafrikaner saßen auf dem Gehweg, eine Zigarette zwischen den Fingern. Alte Frauen mit roter Mütze und Nylonstrümpfen. Ein langhaariger Radfahrer mit einem Gitarrenkasten über der Schulter bremste abrupt.
«Gefällt Ihnen die Gegend?», fragte Elena.
«Ich muss mich erst ein bisschen umschauen», antwortete Doni.
Sie fuhren noch ein ganzes Stück, fast bis ans Ende der Straße. An einer Ampel weiter vorn sah er, dass die Straße einen Knick nach rechts machte. Elena schaltete den Blinker ein und bog in eine Querstraße, wo sie sofort einen Parkplatz fand.
«Gehen wir», sagte sie. «Es ist ganz in der Nähe.»
Doni nahm seine Aktentasche, beschloss dann aber, sie im Kofferraum zu lassen. Während die junge Frau das Auto abschloss, betrachtete er sein Spiegelbild im Autofenster: grauer Nadelstreifenanzug, dunkle Krawatte.
Sie überquerten die Via Padova und gingen etwa fünfzig Meter. Elena blieb vor einem Wohnhaus stehen, das sich nicht wesentlich von den anderen unterschied: blassgelb, mit verwitterter Fassade. An der mittleren Fensterreihe waren Marmorbalkons. Auf einem davon sah Doni ein Dreirad, zwei Bretter und einen Lattenrost aufgehäuft.
Neben dem Eingang war eine winzige Bar, vor der zwei Tische standen. An einem davon saß ein Mann in Donis Alter, mit weißem Schnurrbart und einer Basecap auf dem Kopf, er fing seinen Blick auf und schaute dann wieder auf sein Glas.
Elena sagte etwas in die Sprechanlage, wobei sie in einem fort lächelte. Die Haustür stand offen, sie winkte Doni herein.
Der Innenhof erinnerte ihn an seine Kindheit in dem Haus am Piazzale Susa. Backsteinpflaster und rechts in einer Ecke ein großes, grünes Metalltor. Auf der anderen Seite war ein Stück des Bodens ungepflastert, wie ein Überbleibsel aus vergangener Zeit. Fünf
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