Im Namen der Gerechtigkeit - Roman
«Das Übliche, Robbe’, was soll ich schon treiben? Ich arbeite. Wie jeder, der eine mehr, der andere weniger. Jedenfalls bin ich garantiert nicht mit meinem Sohn unterwegs, um Goldbrassen zu angeln, was mir sehr gefallen würde. Es würde mir übrigens auch sehr gefallen, überhaupt einen Sohn zu haben.»
Doni lachte auf und versuchte, Öl ins Feuer der Unterhaltung zu gießen. Das brauchte er jetzt: den alten Salvatori, ironisch, zynisch, jammernd. Gebt mir mehr Salvatoris.
«Weißt du, Michele, hat man Kinder, hat man Sorgen.»
«Ja, ja, schon gut, Kinder und Sorgen, mir als Junggeselle geht es natürlich blendend, und ich kann das Leben genießen. Hör mal», fuhr er fort, «ich rufe dich an, weil ich zu einer Sache deine Meinung wissen möchte.»
«Was ist denn los?»
«Falls du in einer freien Minute mal zu mir raufkommen könntest, erkläre ich es dir.»
«Ist es was Ernstes?»
«Robbe’, wenn es ernst wäre, hätte ich es dir gesagt. Es geht nur um einen Rat.»
Doni versuchte, die Enttäuschung in seiner Stimme zu verbergen.
«Gut. In einer halben Stunde schaue ich mal bei dir rein.»
10
SALVATORIS ZIMMER WAR das genaue Gegenteil seiner Person: winzig, hell, aufgeräumt. Er bot Doni ein Bonbon an. Der lehnte ab und setzte sich nicht.
«Also?», fragte er.
«Also», sagte Salvatori lang ausgestreckt auf seinem Lehnstuhl. «Heute Morgen war ein junger Kerl von der Guardia di Finanza bei mir. Hier die Fakten: Vor einer Woche war dieser Typ – einundzwanzig, höchstens zweiundzwanzig Jahre alt – bei einer Steuerprüfung bei einem Geschäftsmann aus Bollate dabei. Er, noch zwei andere und ein Brigadiere. Dabei kam heraus, dass der Geschäftsmann ein kleines Loch in seiner Buchführung hatte: etwa die Hälfte seines Gewinns.»
«Wie ungewöhnlich.»
«Nicht wahr? Und was hat der Brigadiere natürlich getan? Zunächst hat er dem Kerl ein bisschen Angst eingejagt, dann hat er ihm zu verstehen gegeben, dass man sich ja eigentlich auch einigen könnte.»
Doni nickte.
«Sie beginnen also zu feilschen, und am Ende kassiert der Brigadiere zehntausend Euro von ihm. Er nimmt die jungen Kerle beiseite und sagt: ‹Tausend für jeden von euch, der Rest ist für mich.› Die anderen beiden reiben sich die Hände, und mein Bursche gerät in Panik. Doch er sagt keinen Mucks. Aus Angst, als Blödmann dazustehen. Schließlich nimmt er das Geld, bringt es nach Hause und versteckt es im Schrank.» Salvatori wickelte ein Bonbon aus und steckte es sich in den Mund. «Nach einer Woche hält er es nicht mehr aus und gesteht alles seinem Vater, der ein Bekannter von mir ist und ihm rät, mich aufzusuchen. Ich höre mir seine Geschichte an, schüttle den Kopf und sage ihm, er soll heute Nachmittag wiederkommen, weil ich erst über eine Lösung nachdenken muss.» Er lutschte sein Bonbon und hob das Kinn in Donis Richtung. «Was würdest du ihm sagen?»
«Was gibt es da schon zu sagen? Er hat sich selbst reingeritten. Das Einzige, was er hätte tun können, wäre gewesen, das Geld abzulehnen und den Mund zu halten. Du weißt doch, wie das bei denen läuft, oder?»
«Ich weiß, ich weiß. Das ist es ja gerade.»
«Also bleibt wenig zu tun. Du musst Klage gegen den Brigadiere erheben.»
«Aber das wird dem Jungen schlecht bekommen.»
Doni seufzte.
«Tja, darauf kannst du Gift nehmen.»
«Sie werden ihm das Leben zur Hölle machen.»
«Mehr noch. Er hat seine Kameradschaft aufgekündigt, und solche Nachrichten verbreiten sich im Nu. Falls er Aussicht auf eine Beförderung hatte, ist es damit nun vorbei, und wahrscheinlich zwingen sie ihn sogar, den Dienst zu quittieren.»
Salvatori kratzte sich die Wange.
«Das tut mir wirklich leid, der arme Kerl. Naiv und gutmütig. Seit einer Woche kann er nicht mehr schlafen, und seine Freundin hatte bereits einen Nervenzusammenbruch.»
«Leider gibt es keine andere Lösung.»
«Na ja, theoretisch gibt es eine.»
Doni schob kaum merklich die Lippen vor.
«Theoretisch», fuhr Salvatori fort, «könnte ich die Sache unter den Tisch fallenlassen. Ich könnte dem Jungen raten, den Mund zu halten und das Geld für wohltätige Zwecke oder sonst was zu spenden.»
«Bist du verrückt geworden?»
«Komm schon, er hat das nicht verdient. Jeder macht mal einen Fehler.»
«Ich hoffe, das ist ein Witz.»
«Hör mal, Roberto, ich weiß, wie du darüber denkst. Ich weiß es. Und du hast ja recht. Aber mal kann man doch auch ein Auge zudrücken, meinst du nicht?»
«Nein,
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