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Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Titel: Im Namen der Gerechtigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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ist, ob wirklich du es warst, der geschossen hat. Aber sie muss das tun, denn irgendwer muss ja bestraft werden, und ein Marokkaner ist da so gut wie der andere, nicht wahr?»
    Doni schüttelte den Kopf und hob die Hand.
    «Fang nicht schon wieder an, und bring nicht alles durcheinander. Zunächst einmal, die Grenzen unterschiedslos für jeden zu öffnen, würde unser aller Leben verschlechtern, unseres und ihres. Europa hat nicht die Mittel, um all diese Menschen anständig aufzunehmen. Es gibt nicht genug Platz, nicht genug Arbeit, nicht genug Wohnungen.»
    «Also sollen sie lieber da verrecken, wo sie sind?»
    «Das habe ich nicht gesagt.»
    «Aber das ist die logische Konsequenz!»
    Doni schaute sie an.
    «Was für Schuhe trägst du?»
    «Was?»
    «Ich habe dich gefragt, was für Schuhe du trägst.»
    Elena senkte das Kinn und schaute unter den Tisch.
    «Welche von All Star.»
    «Welche von All Star. Ich kenne mich da jetzt nicht so aus, aber bist du sicher, dass bei der Herstellung dieser Schuhe nicht irgendjemandes Rechte verletzt wurden? Bist du sicher, dass der Hersteller keine Kinderarbeit zulässt und dass er beim Verkauf zu einem bestimmten Preis den Gewinn in Form von angemessenen Löhnen gerecht verteilt?»
    «Schon gut, ich habe verstanden, worauf Sie hinauswollen.»
    «Wenn du auf diese Fragen keine Antworten hast, kannst du das System nicht kritisieren. Jeder, der darin lebt, muss sich an die Gesetze halten, wenn er es bekämpft, Schluss aus. Ansonsten ist es von hier bis zu dem Punkt, da man im Namen des heiligen Kriegs gegen die Bösen des Systems einen McDonald’s in die Luft jagt, nur ein kleiner Schritt.» Er knirschte mit den Zähnen und umklammerte sein halbleeres Glas. «Durch solche Leute habe ich einen Freund verloren, Elena. Er war Staatsanwalt wie ich. Er war besser als ich. Ein wunderbarer Mensch. Eines Tages haben sie ihn auf der Straße angehalten und ihm drei Kugeln in den Bauch gejagt. Sie waren der Ansicht, er sei ein Teil des Systems und das System sei falsch und das reiche schon aus. Sie hielten sich für Revolutionäre im Dienste der Armen, dabei waren sie einfach nur Bestien. Das ist das Einzige, was der Terrorismus mich gelehrt hat. Nie, niemals darf man sich über die Gesetze stellen, die uns gegeben sind.»
    Beide schwiegen, jeder in seine Gedanken vertieft. Im Fernseher lief ein englisches Fußballspiel. Zwei alte Männer schauten auf den Bildschirm, das Kinn in die Luft gereckt und mit offenem Mund. Elena schlug vor, noch zwei Bier zu bestellen. Doni willigte ein. Es schmeckte gut und war kühl, außerdem wollte er die Erinnerung an Colnaghi hinunterspülen, die plötzlich viel zu heftig hochgekommen war.
    «Sag mal, beschäftigst du dich eigentlich nur mit solchen Dingen?»
    «Was meinen Sie damit?»
    «Das, worüber du schreibst. Ich habe im Internet ein paar Zeitungsartikel gefunden.»
    «Ja, Lokalnachrichten, Einwanderungsprobleme, Polizeimeldungen. Interviews mit Leuten auf der Straße, die einem erzählen, dass alles den Bach runtergeht und dass die Politiker alle gleich sind. So was eben.» Sie warf einen Blick auf das Display ihres Telefons. «Eigentlich mache ich alles, was kommt. Neben meinem Teilzeitjob im Buchladen arbeite ich auch als Ghostwriter und so was. Manchmal gibt es komische Sachen, zum Beispiel, wenn man einen Artikel unter dem Namen eines Typs schreibt, der Journalist werden soll. Oder, was weiß ich, für eine Anzeigenzeitung die Rubrik eines Schlagersängers betreut, der kaum seinen Namen buchstabieren kann.»
    «Aber das ist verboten.»
    «Tatsächlich?» Sie lachte.
    Doni schüttelte den Kopf. «Bezahlen sie dich wenigstens anständig?»
    «Es ist ein Trauerspiel.»
    «Und warum machst du es dann?»
    Elena fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
    «Weil ich das am besten kann, wahrscheinlich, und weil man nehmen muss, was kommt. Außerdem hoffe ich, dass sich dadurch die eine oder andere Tür öffnet. Ich mache mir nichts vor, wirklich nicht. Ich bin über dreißig und habe nicht viel auf die Reihe gebracht, doch ich habe mir eine Frist gesetzt. In spätestens einem Jahr höre ich auf.»
    «Und was machst du dann?»
    «Was ich dann mache. Wenn ich das wüsste!» Die nächste Runde Bier wurde gebracht. Elena trank einen Schluck. «Manchmal stelle ich mir meine Zukunft ohne ein geschriebenes Wort vor. Aber das fällt mir schwer. Es ist inzwischen nicht mehr nur eine Frage des Berufs oder der Berufung, wie man so schön sagt … Es ist eine

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