Im Namen der Gerechtigkeit - Roman
Blick.
«Okay», sagte der Mann. Er schlug mit der Faust gegen den Rollladen, wartete eine Weile und öffnete ihn dann ein Stück.
«Na los.»
Die junge Frau bückte sich und schlüpfte hinein. Doni folgte ihr. Drinnen war das Geschäft erleuchtet, als wäre es noch geöffnet, und der Inhaber – ein untersetzter Mann, ebenfalls aus Bangladesch, mit wenig Haaren auf dem Kopf – saß mit gelangweilter Miene hinter dem Ladentisch. In einer Ecke trank ein weißbärtiger Mann etwa in Donis Alter aus einem Plastikbecher. Elena kaufte das Bier, bezahlte, und sie gingen hinaus. Mit einem Ruck zog der Mann draußen den Rollladen wieder herunter, wobei er sich noch immer umschaute.
«Wozu dieses ganze Theater?», erkundigte sich Doni, als sie in Richtung Piazzale Loreto weitergingen.
«Um diese Uhrzeit dürfen sie nicht geöffnet haben. Ein Beschluss der Stadtverwaltung.»
«Stimmt.»
«Also machen sie es auf diese Weise.»
Doni nickte.
«Willkommen in der Via Padova, Dottore», lachte Elena und hob wie zu einem Trinkspruch die Einkaufstüte hoch. Auch Doni lachte.
«Sie werden noch Ihre U-Bahn verpassen», sagte die Journalistin dann.
«Ja. Ich gehe jetzt.»
«Also, wir hören voneinander.»
Doni rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Er lächelte müde.
«Ich denke, das war’s jetzt, Elena.»
«Wenn es mir gelingt, Mohamed zu überzeugen, rufe ich Sie an. Yasmina wird mir seine Nummer geben, und ich werde versuchen, mit ihm zu sprechen, und wenn ich die ganze Nacht aufbleiben muss.»
«Bring dich bitte nicht in Schwierigkeiten.»
«Keine Sorge.»
«Doch, ich mache mir Sorgen. Und zwar, weil ich dieses Milieu und die Leute, die diese Art von Problemen haben, sehr gut kenne, auch wenn es dir nicht so vorkommt.»
Sie nickte.
«In Ordnung», sagte sie.
Doni hob die Hand, drehte sich um und ging ein paar Schritte. Dann wandte er sich erneut um.
«Nur eines noch. Warum liegt dir eigentlich so viel an Khaled und Yasmina? Und warum bist du so fest davon überzeugt, dass er unschuldig ist?»
«Das haben Sie mich schon bei unserem ersten Treffen gefragt.»
«Dann bedeutet das wohl, dass mir die Antwort nicht genügt hat.»
Sie wartete einen Moment, schloss die Augen, atmete tief durch und öffnete sie wieder.
«Dazu könnte ich Ihnen eine Menge sagen. Doch vielleicht nur so viel: Irgendwer muss doch an seine Unschuld glauben, meinen Sie nicht?»
Doni nickte. Dann nickte er noch einmal.
«Gute Nacht, Elena.»
«Gute Nacht, Dottore.»
20
Ciao Elisa,
wie geht’s?
Hier in Mailand gibt es nichts Neues, oder besser: nur den üblichen Kleinkram, den du sicher gern hinter dir gelassen hast. Die einzige gute Nachricht ist, dass die Sonne scheint. Wir haben einen der mildesten Frühlinge, an die ich mich erinnern kann. Doch er wird wohl nicht lange vorhalten.
Ich hatte einen kleinen Streit mit deiner Mutter, weil ich mich mit einem Arbeitskollegen getroffen habe, ohne ihr Bescheid zu sagen, doch ich glaube, das ist bald vergessen. Du weißt ja, wie sie ist.
Gestern erhielt ich ein Buch über La Tour, das ich über bookdepository.com bestellt hatte. Diese Webadresse kennst du bestimmt, das ist ein englischsprachiger Online-Bookshop (mit einem weltweit kostenlosen Versand). O ja, ich stürze mich in Online-Käufe. Das muss das Alter sein. Doch das Buch ist wunderschön, und die Fotos sind einzigartig. Ich habe zwei Bilder entdeckt, die ich noch nicht kannte, und nun gedenke ich, noch eine Reproduktion fürs Büro zu bestellen.
Und du? Arbeitest du schon an deinem neuen Projekt?
Und dein Professor, wie ist der? Und geht es Sarah gut? Manchmal versuche ich mir vorzustellen, wie das Leben auf einem Campus wie deinem wohl aussieht. Als wir dich im vergangenen Jahr besucht haben (gegen deinen Willen, und sag jetzt nicht, dass das nicht stimmt), hatte ich den Eindruck, dass dort eine große Unbeschwertheit herrscht. Die Leute kamen mir wirklich alle sehr entspannt vor, sehr glücklich, als wäre die Zukunft zum Greifen nah.
Womöglich ist das zu stark vereinfacht, und vielleicht
lag es nur an der Universitätsatmosphäre, doch mir hat es gefallen. Du beklagst dich manchmal, dass außerhalb des Campus gar nichts los ist und du wie in einer Seifenblase lebst. Doch hier ist es auch nicht viel besser. Vielleicht sieht das in einer amerikanischen Großstadt anders aus, wer weiß. Jedenfalls hoffe ich, dass du glücklich bist und alles gut läuft.
Übrigens, es gibt da etwas, worüber ich gern deine
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